Wellenreiter-Kolumne vom 18. Februar 2012
Erdöl als Königsmacher
Während die Preise an
Deutschlands Tankstellen aktuell neue Allzeithochs erreichen, können sich
die US-Amerikaner vergleichsweise entspannt der Zapfsäule nähern. Der
Durchschnittspreis beträgt 3,58 US-Dollar pro Gallone. Bis zur „magischen
Marke“ von 4 US-Dollar – 2008 und 2011 bereits erreicht – ist noch Luft
(etwa 40 Cents; folgender Chart).
Nichtsdestotrotz wetzt die
republikanische Partei bereits die Messer: Nach einem Bericht der New York
Times
http://tinyurl.com/7vmkkyn
wollen die Republikaner das Thema „steigender Ölpreis“ zum
Wahlkampfthema machen. Sie wissen genau: Die saisonalen Muster sind recht
verlässlich. Den US-Republikanern dürfte das folgende Verlaufsmuster
bekannt sein.
Der Ölpreis steigt
üblicherweise im Frühjahr und Sommer. Das ist natürlich beste
Wahlkampfzeit, die man zu nutzen gedenkt. Ein steigender Ölpreis würde der
sich momentan verbessernden US-Verbraucherstimmung einen Dämpfer versetzen
und Obama in die Enge treiben.
Charttechnisch befindet sich
der Ölpreis (Crude) an einer interessanten Stelle. Er „droht“ aus einer
Konsolidierung in einen Aufwärtstrend überzugehen. Der Ausbruch aus dem
nachfolgend eingezeichneten Dreieck (blau) dürfte eine solche Bewegung
auslösen.
Erdöl der Sorte Brent spielt
den Vorreiter: Brent hat jüngst die Marke von 120 US-Dollar übertroffen.
Die Maximalschätzungen der Banken für das Jahr 2012 sind damit erfüllt.
Stiege der Ölpreis weiter, wären Banken und Fonds zum Nachkauf sowie zur
Adjustierung ihrer Prognosen gezwungen.
Die Frage, ob der Ölpreis im
Vergleich zu den Aktienmärkten zu teuer ist, beantwortet der folgende
Chart. Der stellt das Verhältnis der Entwicklung des Ölpreises im
Vergleich zum amerikanischen Leitindex Dow Jones Index dar.
Wie man erkennt, steht der
Ölpreis seit dem Jahr 1998 im Begriff, sich von seiner außergewöhnlichen
Schwäche zum Dow Jones Index zu erholen. Auf diesem Weg hat der Ölpreis
gerade einmal die Durchschnittsratio (rot) erreicht. Würde die Ratio
erneut auf das Niveau von 1980 ansteigen, so würde der Ölpreis - bei einem
Dow Jones Index von 13.000 Punkten – das Niveau von 650 US-Dollar
erreichen. Öl ist demnach nicht überteuert.
Sollte der Ölpreis weiter
steigen, so wäre die Frage zu stellen, ob sich eine solche Entwicklung
positiv oder negativ auf die Aktienmärkte auswirken würde.
Für die Beantwortung dieser Frage
erscheint ein Blick zurück in die 70er und 80er Jahre notwendig. Auf dem
folgenden Chart sind der Ölpreis und der Kursverlauf des S&P 500 von 1972
bis 1982 gemeinsam abgetragen.
Als der Ölpreis Anfang 1974 - nach einem
starken Anstieg - einen Hochpunkt erreichte (schwarzer Pfeil obiger
Chart), geriet die US-Wirtschaft in eine Rezession. Der Ölpreis fiel in
dieser Zeit nicht, sondern stagnierte auf einem - für damalige
Verhältnisse - hohen Niveau zwischen 10 und 11 US-Dollar. Der
Ölpreisanstieg beeinflusste den Aktienmarkt auf negative Art und Weise.
Auch dem scharfen Anstieg der Jahre
1979/80 folgte eine Rezession. Die negative Reaktion der Aktienmärkte war
zwar vorhanden, blieb aber moderater als 1973/74. Zwischen April und
Dezember 1980 folgte eine kräftige Aufwärtsbewegung. In diesem Zeitraum
fiel der Ölpreis von 40 auf 36 US-Dollar.
1990 löste der Anstieg des Ölpreises von
15 auf 40 US-Dollar eine Rezession und einen starken Einbruch an den
Aktienmärkten aus. Als der Ölpreis im Oktober 1990 sein Hoch markierte,
erreichten die Aktienmärkte ihren Tiefpunkt (nächster Chart).
Betrachtet man die
Langfristperspektive, so könnte der Ölpreis auf 170 US-Dollar steigen
(siehe Pfeil folgender Chart), ohne dass er seinen Trendkanal nach oben
verlassen würde
Fazit: Charttechnisch und
saisonal deutet sich ein weiterer Anstieg des Ölpreises an. Käme es so,
dürfte der Ölpreis zu einem großen Thema im US-Wahlkampf mutieren. Ein
wenig weitergedacht könnten republikanische Strippenzieher auf den
Gedanken kommen, den Iran-Konflikt auf welchem Wege auch immer anzuheizen.
Schon stiege der Ölpreis und Obama würde wackeln. Auch die Aktienmärkte
hätten – wie die Charts aus den 1970er Jahren zeigen – bei einem zu
starken Anstieg des Ölpreises ein Problem. Nebenbei würde die Inflation
ein Thema werden. Auch dies wäre keine angenehme Debatte für Obama und die
Fed, die dann über eine Verkürzung der Nullzinspolitik nachdenken müsste.
Es ist doch klar, dass die
US-Republikaner die aktuelle „Erfolgsstory Barack Obama“ noch auszuhebeln
versuchen. Und das mit (fast) allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Das
Thema Öl könnte dabei eine wichtige Rolle spielen. Neu wäre das nicht.
Verfolgen Sie die Entwicklung der Finanzmärkte in unserer handelstäglichen
Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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