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Wellenreiter-Kolumne vom 25. Februar 2012
Blickpunkt Japan

Der japanische Yen verliert seinen Status als sicherer Hafen. Binnen weniger Wochen stieg der Dollar/Yen von 76 auf 81 (roter Kreis folgender Chart). Noch stärker zog der Euro/Yen an.



Begründet wird die Yen-Schwäche mit dem schwachen wirtschaftlichen Umfeld in Japan. Daraus resultieren Interventionen zugunsten des Dollar und geldpolitische Lockerungsmaßnahmen der japanischen Zentralbank. Seltsam ist jedoch: Die Interventionsbereitschaft der japanischen Notenbank zugunsten des Dollar ist seit geraumer Zeit vorhanden, die Geldpolitik ist seit Jahrzehnten locker und das wirtschaftliche Umfeld seit Jahrzehnten schwach. Warum bricht der Yen ausgerechnet jetzt ein? 

Die immerwährende Pendelei des internationalen Kapitals zwischen Sicherheit und Risiko dürften der Grund sein. Das internationale Kapital rechnete mit einem Auseinanderbrechen der Eurozone und floh in den japanischen Yen als vermeintlich sicherer Hafen. Nachdem sich Anfang Februar die Zustimmung zu einem Hilfspaket für Griechenland abzeichnete, begann das Kapital in den Euroraum zurückzufließen. Das Risiko gewann die Salonfähigkeit zurück.

Oder steckt hinter der Flucht aus dem Yen noch etwas anderes? Bisher genießt Japan - als eines der wenigen alten Industrieländer - einen positiven Realzins (rote Linie folgender Chart).

Dieser beträgt etwa 1 Prozent (Rendite 10jähriger japanischer Staatsanleihen bei 0,95%; Inflationsrate knapp unter null). Ein japanischer Anleger, der japanische Staatsanleihen kauft, verdient real Geld. In Europa und den USA ist der Realzins hingegen negativ. Entsprechend sind Kaufkraftverluste vorprogrammiert.

Was aber würde geschehen, wenn die Inflationsrate in Japan anziehen würde? Schon eine Inflationsrate von einem Prozent würde den Realzins negativ werden lassen (falls die Renditen auf dem aktuellen Niveau verbleiben). Dies könnte Anleger in japanischen Staatsanleihen dazu veranlassen, auf Alternativen auszuweichen.

Kann denn die Inflationsrate in Japan überhaupt steigen? Schließlich befindet sich das Land seit 1990 in einer langgestreckten deflationären Phase. Der folgende Chart zeigt den Verlauf der Inflationsraten in den USA, Euroland und Japan seit 1976.

Japan ist gegen einen Anstieg der Inflationsrate – so diese Rohstoffinduziert ist – nicht immun. Im Sommer 2008 stieg die japanische Inflationsrate auf 2,3 Prozent (siehe Pfeil obiger Chart). Der Hauptgrund war der Ölpreisanstieg von 100 auf 150 US-Dollar binnen sechs Monaten.

Eine erwartbare Folge der Flucht aus dem Yen ist ein Anstieg des Nikkei-Index. Die Yen-Verbilligung erhöht die Wettbewerbsfähigkeit japanischer Unternehmen auf dem Weltmarkt. Die positive Korrelation zwischen Dollar/Yen und dem Nikkei Index ist auf dem folgenden Chart gut zu erkennen.

Doch ist diese Korrelation nicht ohne Tücken. Als der japanische Realzins im Juni 2008 erstmals seit dem Jahr 1997 negativ wurde, begann der Nikkei-Index durchzusacken. Der Dollar/Yen hingegen stieg noch einige Monate weiter. Im Jahr 1997 geschah übrigens ähnliches.

Fazit: Die Anleger fliehen aus dem Yen. Diese Flucht begünstigt den Nikkei-Index: Die Wettbewerbsfähigkeit japanischer Unternehmen zieht an. Dies geht solange gut, bis die Inflationsrate anzieht und den Realzins negativ werden lässt. Ein negativer Realzins verfügt über das Potential, eine Rally im Nikkei Index abzuwürgen. Bis dahin dürfte sich ein Zeitfenster bieten, innerhalb dessen der Nikkei-Index investierbar sein dürfte.

Jedoch: Die Wolken am Horizont würden sich insbesondere dann verdichten, wenn die Marktteilnehmer der Flucht aus dem Yen eine Flucht aus japanischen Staatsanleihen folgen lassen würden. Aktuell liegen dafür zwar keine Anzeichen vor. Angesichts der nachfolgend dargestellten Formation sollte man jedoch nicht darauf wetten, dass dies so bleibt (folgender Chart).

Man liegt möglicherweise nicht falsch, wenn man annimmt, dass die Aasgeier, die über Europa ihre Kreise zogen, sich in Kürze neue Ziele suchen. Ein deutlicher Renditeanstieg in Japan würde diese These verifizieren. Wurde Japan nur deshalb in Ruhe gelassen, weil ein Zweifrontenkampf zu zermürbend gewesen wäre? Verfolgen Sie die Entwicklung der Finanzmärkte in unserer handelstäglichen Frühausgabe.

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

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