Wellenreiter-Kolumne vom 23. April 2012
Warum ist der Euro so stabil?
Die Rendite 10jähriger
spanischer Staatsanleihen befindet sich bei 6 Prozent. Der spanische
Leitindex IBEX weist einen Verlust von 20 Prozent auf. Der „PIIGS-Index“
fiel in den vergangenen Wochen auf ein neues Jahrestief (blaue Linie
folgender Chart).
Auch der französische
Leitindex CAC 40 fiel jüngst im Vergleich zum Jahresbeginn 2012 ins Minus:
Die Wahl in Frankreich bringt Unsicherheit.
Dies alles hat dem Euro nichts
anhaben können. Stur hält sich der Kurs des Euro/Dollar oberhalb der Marke
von 1,30. Warum ist dies so? Man könnte meinen, dass die Investoren die
US-Märkte schwächer einschätzen als die europäischen Märkte. Dem ist
jedoch nicht so: Dow Jones Index und S&P 500 zeigen Stärke. Sie befinden
sich deutlich oberhalb ihrer Hochpunkte aus dem Jahr 2011.
Eine andere Erklärung dürfte
der Sache näher kommen. Euro/Dollar und Rohstoffpreise korrelieren
üblicherweise positiv miteinander. Die Rohstoffe zeigen eine „versteckte“
Stabilität und stützen so den Kurs des Euro/Dollar.
Als Beispiel lässt sich der
Getreide-Index nennen. Der Index setzt sich zu annähernd gleichen Teilen
aus den Kursen für Mais, Weizen und Sojabohnen zusammen.
Der Getreide-Index lief etwa
bis zum Jahr 2007 seitwärts. Nach dem großen Ausbruch im Jahr 2008 wurde
die rote Unterstützungslinie erfolgreich getestet. Der Preisanstieg in den
Jahren 2010/11 verlief beinahe so stark wie im Jahr 2008. Es stellt sich
die Frage, ob die Seitwärtsbewegung der Jahre bis 2007 auf Dauer passé
ist. Wir vermuten: Der Getreide-Index dürfte die rote Unterstützungslinie
so schnell nicht wiedersehen. Der Abwärtstrend seit dem Frühjahr 2011 war
deutlich milder als derjenige im Jahr 2008. Gelänge es dem Index, die
Hochpunkte von 2008 und 2011 erneut anzulaufen, so würde die
Wahrscheinlichkeit für eine Überwindung im dritten Versuch recht groß
sein.
Auch der in diesem Index nicht
enthaltende Verlauf des Reispreises zeigt sich stabil (folgender Chart).
Trotz der deutlichen
Abwärtsbewegung im Jahr 2008 ist der seit dem Jahr 2002 laufende
Aufwärtstrend intakt geblieben. Die Hoffnung großer Reisverbraucher wie
Indien, China oder den Philippinen auf fallende oder stabile Reispreise
dürfte sich als unrealistisch erweisen.
Der sogenannte Basiseffekt
dreht. Zwischen Mai und September 2011 fielen die Rohstoffpreise –
darunter auch der Ölpreis - deutlich. Daraus folgt: Selbst wenn die
Rohstoffpreise in den kommenden Monaten lediglich stagnieren würden, würde
die Inflationsrate dennoch steigen.
Tankstellenpreise von 4 Dollar
pro Gallone sind in den USA Realität (siehe Chart).
Weder die Ankündigung Obamas,
ein Teil der nationalen Reserven freizugeben, noch die Erhöhung der
saudischen Ölproduktion haben hohe Preise an den Tankstellen verhindert.
Gleiches gilt für den europäischen Markt. In den Wochen bis Pfingsten ist
üblicherweise mit einem weiteren Anstieg der Tankstellenpreise zu rechnen.
Seit mehr als einem Jahr ist
das Platzen der Immobilienblase in China ein Thema. Ein Zusammenbruch der
Infrastrukturtätigkeit würde den Kupferpreis nach unten reißen. Davon
jedoch kann keine Rede sein. Der Kupfer-Future in New York hält sich mit
aktuell 3,70 US-Dollar auf einem stabilen Niveau (folgender Chart).
Die US-Kleinspekulanten (Small
Specs) wetten massiv auf einen fallenden Kupferpreis (siehe Pfeil
folgender Chart).
Doch seit wann hat diese
Gruppierung recht? Eine solch starke Negativ-Positionierung ist aller
Erfahrung nach als Kontraindikator anzusehen.
Damit schließt sich der Kreis
zum Euro. Denn auch im Euro sind die Kleinspekulanten massiv short
positioniert (siehe Pfeil folgender Chart).
Fazit: Die Schwäche der
südlichen Euroländer schlägt bisher nicht auf den Euro durch. Die
europäische Gemeinschaftswährung hält sich oberhalb der Marke von 1,30.
Die Rohstoffpreise korrigieren seit einem Jahr, mehr aber auch nicht. Ein
Zusammenbruch wie im Herbst 2008 fand nicht statt. Ab Mai unterstützt der
Basiseffekt steigende Inflationsraten. Die Positionierung der
Kleinspekulanten erscheint extrem. Aller Erfahrung nach müssen die
US-Kleinspekulanten als Kontraindikator angesehen werden. Wir setzen für
die nächsten Monate auf wieder steigende Inflationsraten.
Selbst wenn der Euro/Dollar doch noch die Marke von 1,30 unterschreiten
sollte, so sollte die Währung in den kommenden Monaten positiv auf
steigende Inflationsraten reagieren.
Verfolgen Sie die Entwicklung
der Finanzmärkte in unserer handelstäglichen Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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