Wellenreiter-Kolumne vom 14. Mai 2012
Realzins bremst Goldpreis ein
Die Unterstützungslinien im XAU-Goldminenindex brechen weg. Selbst die
historisch wichtige Marke von 150 Punkten wurde unterschritten (blaue
Linie folgender Chart).
Ähnlich wie 2008 verliert der XAU-Goldminenindex deutlich stärker als das
physische Metall (folgender Chart).
Was ist da los? Die Schwäche von Goldminen und Gold lässt sich mit der
aktuellen Entwicklung des Realzinses erklären. Der Realzins errechnet sich
aus der Differenz zwischen der Inflationsrate und dem Nominalzins. Wir
legen die Rendite 10jähriger US-Anleihen zu Grunde. In einer Deflation
wird der Realzins stark positiv. Die Inflationsrate fällt unter null, der
Nominalzins hat diese Option nicht. Da die Preise fallen, verdient ein
Anleger bei einer negativen Inflationsrate eine positive Realrendite. In
einer Deflation wird Geld wertvoller, selbst wenn man es unter die
Matratze legt („Cash is King“).
In einer inflationären Bewegung verliert das Matratzengeld an Wert. So war
der Zustand bis ins erste Quartal 2012 hinein. Niedrige Zinsen und eine
vergleichweise höhere Inflationsrate ergeben einen negativen Realzins.
Jetzt scheint die Angelegenheit erneut zu kippen. Die offizielle
US-Inflationsrate beträgt im April 2,3%. Im September 2011 – als der
Goldpreis sein bisheriges Allzeithoch erreichte – betrug die offizielle
Inflationsrate knapp 4%. Der nominale Zinssatz läuft seit September
seitwärts. Ergo: Die Inflationsrate fällt, der Realzins steigt.
Seit Anfang Mai ist der Ölpreis deutlich gefallen. Bliebe es bis zum
Monatsende so, müsste man mit einer Mai-Inflationsrate von unter 2%
rechnen. Da die Rendite 10jähriger US-Staatsanleihen bei 1,78% liegt,
dürfte der Realzins zum aktuellen Zeitpunkt nur noch knapp negativ oder
bereits bei null sein. Wir stellen dies auf der folgenden Grafik dar.
Der Goldpreis reagiert sensibel auf steigende Realzinsen. Die Pfeile
zeigen es: Steigt der Realzins, fällt der Goldpreis.
Die skeptische Anmerkung lautet: Sie gehen von offiziellen Inflationsraten
aus. Würde man von Schatten-Inflationsraten ausgehen, wäre der Realzins
weit negativer als auf dem Chart angenommen. Er wäre auch jetzt noch
negativ. Die Antwort lautet: Erstens achten wir auf das, was funktioniert.
Die Relation zwischen Gold und der offiziellen US-Inflationsrate hat einen
guten historischen Track-Rekord auch in den Jahren, in denen die
offizielle Inflationsrate beginnt, von der Schatten-Inflationsrate
abzuweichen. Zweitens ist die Veränderung interessant. Und diese dürfte
bei der Schatten-Inflationsrate nicht anders sein. Nur befindet sie sich
auf einem höheren Niveau.
Wie geht es weiter? Sollte der Realzins in den kommenden Monaten weiter
anziehen, so würde Gold im Abwärtstrend verbleiben. Wichtig für den
Goldpreis wäre eine wieder anziehende Inflationsrate (also beispielsweise
ein wieder steigender Öl- und Kupferpreis). Solches würde bedeuten, dass
nicht eine Rezession, sondern nur eine wirtschaftliche Delle eintritt, die
mit Hilfe von QE3 bekämpft werden kann. Gold-Fans werden ihre Hoffnung auf die Fed setzen. Wir gehen davon aus, dass die Fed liefern wird.
Der chartechnische Lichtblick besteht in dem Umstand, dass die XAU/Gold-Ratio
das historische Ratiotief des Jahres 2008 erreicht hat (folgender Chart).
Sollte die Ratio an dieser Stelle eine Umkehrbewegung vollziehen, so
würden die Gold-minen in den kommenden Wochen und Monaten den Goldpreis
outperformen.
Fazit: Seit September 2011 ist der Realzins deutlich angestiegen. Im
gleichen Zeitraum fielen Goldminen und Goldpreis. Sollte sich die
deflationäre Entwicklung der vergangenen Monate fortsetzen, so würde die
Talfahrt von Goldminen und Goldpreis anhalten. Wir rechnen aber nicht
damit. Wir nehmen weiterhin an, dass sich die aktuelle deflationäre
Situation lediglich als Delle herausstellt. In der zweiten Jahreshälfte
sollte es nochmals zu einer „Risk-on“-Entwicklung für die Anlagemärkte
kommen (mit positiven Auswirkungen auf Aktienmärkte und Rohstoffe).
Verfolgen Sie die Entwicklung
der Finanzmärkte in unserer handelstäglichen Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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