Wellenreiter-Kolumne vom 12. September 2012
Die
Selbstschussanlage der Fed
Die amerikanische Zentralbank Federal Reserve verfügt über ein so genanntes
"duales Mandat". Sie muss für niedrige Inflationsraten und für eine
ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen sorgen. Die hohe Arbeitslosigkeit der
1930er Jahre hat im Mandat der Fed ihre Spuren hinterlassen.
Die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist seit dem Jahr 2000 ins Stocken
geraten. Obwohl die US-Bevölkerung seit dem Jahr 2000 um 32 auf 314
Millionen gestiegen ist, stagniert die Zahl der Arbeitnehmer bei 133
Millionen.
Das Problem ist strukturell (die Abweichung von der Trendlinie macht dies
deutlich). Offenbar genügt den Unternehmen eine geringere Anzahl von
Arbeitnehmern, um ihre wirtschaftlichen Ziele zu erreichen. Die seit 2009
laufende Aktienmarktrally drückt dies aus.
Da Inflation aus Sicht der amerikanischen Zentralbank keine unmittelbar
Gefahr darstellt, da - nachvollziehbar - eine Lohn-Preis-Spirale in einer
solchen Situation schwer vorstellbar ist, möchte die Fed zusätzliches
Kapital durch den Ankauf von Anleihen in Umlauf bringen. Sie erhofft sich
dadurch einen stimulierenden Effekt auf die Wirtschaft.
Es erscheint lediglich die Frage offen, welche Anleihen die Fed in einer
neuen QE-Runde kaufen würde. Die eine Seite erwartet den ausschließlichen
Kauf von Staatsanleihen. Die andere Seite erwartet eine Konzentration auf
die Hypothekenpapiere von Fannie Mae und Freddie Mac. Dadurch würde der
US-Hausbaumarkt stimuliert werden.
Beleuchten wir beide Möglichkeiten. Der Kauf von Staatsanleihen erscheint
bei Renditen von 1,7% (10Jahre) bzw. 0,66% (5 Jahre) wenig sinnvoll. Das
wäre fast so, als wollte die EZB deutsche Staatsanleihen kaufen und dafür
- aufgrund der Negativzins-Situation auch noch bezahlen (übertrieben
gesprochen). Bei den jetzt schon sehr niedrigen Zinssätzen bringt ein Kauf
durch die Fed dem Markt kaum weitere Zinsvorteile. Zudem steigen die
Zinsen an, wenn die Wirtschaft stimuliert wird. So ergab sich die paradoxe
Situation, dass die Zinsen nach der Verkündung von QE1 und QE2 jeweils
solange stiegen, bis die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung einige Monate
später abgewürgt wurde (zuletzt im Frühjahr 2011).
Die zweite angesprochene Möglichkeit ist der Ankauf von
Hypothekenpapieren. Wäre dieser Markt am Boden zerstört, wäre dies eine
sinnvolle Maßnahme. Aber so? Der Aktienindex der US-Hausbauwerte hat seit
Oktober 2011 mehr als verdoppelt. Die Stimmung der US-Hausbauer befindet
sich auf dem besten Niveau seit fünf Jahren (NAHB-Hausbau-Index folgender
Chart).
Bernanke weiß, dass die Zahl der Baugenehmigungen und diejenige der
tatsächlich gebauten Häuser diesem Sentiment-Indikator folgen. Zudem
liegen die US-Hypothekenzinsen mit etwa 3 Prozent (Zinsbindung 10 Jahre)
auf einem historisch niedrigen Niveau.
Wenn die Fed wegen des Arbeitsmarktes und einer für europäische
Verhältnisse wohlklingenden Arbeitslosenquote von 8,1% derart viel
QE-Druck macht, wie stark müsste erst - wenn das Aufgabenverständnis das
gleiche wäre - die europäische Zentralbank auf die Tube drücken? Die
müsste Euros so lange drucken, bis wir förmlich daran ersticken.
Jedenfalls dann, wenn man den folgenden Chart betrachtet. Spanien und
Griechenland weisen Arbeitslosenquoten oberhalb von 20% auf. Der
EU-Durchschnittswert befindet sich bei 10,2%.
Quelle: Eurostat
Die EZB agiert jedoch - trotz Draghi und der angekündigten der
unlimitierten Käufe - wesentlich zurückhaltender als die amerikanische und
die britische Zentralbank.
Fazit: Aus europäischer Sicht erscheinen die offenbar geplanten Maßnahmen
der US-Fed übertrieben, und ob sie etwas bringen, erscheint zweifelhaft.
Im Gegenteil: Eine stimulierte Wirtschaft geht üblicherweise mit
steigenden Renditen einher. Steigende Renditen könnten dazu führen, dass
die US-Wirtschaft erneut abgewürgt werden würde. Der Schuss könnte also
nach hinten losgehen. Eine US-Rezession ist durch die Fed bisher nicht
verhindert worden.
Auch dieses Mal dürfte
das nicht anders sein. Antizipieren Sie die Entwicklung der Finanzmärkte
mit Hilfe unserer handelstäglichen Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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