Wellenreiter-Kolumne vom 19. September 2012
Die
Winterwetterwette
Kann ein Anleger von einem
saisonalen Wetter-Ausblick profitieren? Und wenn ja, wie? Mit dieser Frage
beschäftigen wir uns in dieser Kolumne. Konkret geht es um den Ausblick
auf den kommenden Winter. Zuerst ein Blick zurück. Am 20. Oktober 2011
veröffentlichte der staatliche US-Wetterdienst (NOAA) den Ausblick für den
Winter 2011/12. Für weite Teile der USA wurde damals ein zu warmer Winter
vorhergesagt (nächster Chart).
Tatsächlich war der
"Winter-Effekt" noch geringer als erwartet: Der vergangene Winter fiel in
weiten Teilen der USA aus. In New York kam es lediglich zu sechs Eistagen.
Das sind Tage, an denen die Temperaturen auch tagsüber nicht über null
Grad steigen. Üblich ist die doppelte bis dreifache Anzahl.
Das "Pure Play" auf das
Winterwetter ist der US-Erdgas-Future. Erdgas trägt ein Viertel der
amerikanischen Energieversorgung. 50 Prozent der US-Haushalte werden mit
Erdgas beheizt, der Rest - insbesondere im wärmeren Süden - nutzt
hauptsächlich Strom. Erdöl wird in von 9% aller US-Haushalte zum Heizen
verwendet, spielt demnach für die Erzeugung kuscheliger Wärme im Haushalt
kaum eine Rolle. In unerwartet strengen Wintern steigt die Erdgasnachfrage
an; dies treibt die Preise. Hingegen fällt in Wintern wie dem vergangenen
die Nachfrage.
So kam es zwischen Oktober
2011 und April 2012 zu einem starken Verfall des Erdgaspreises in den USA
(folgender Chart).
Man würde die Rolle des
Wetters überschätzen, würde man diesen starken Preisverfall (von 4 auf 2
US-Dollar) ausschließlich dem warmen US-Winter zuschreiben. Die durch das
"Fracking" in großem Stil neu gewonnene Energie-Unabhängigkeit der USA
(zumindest beim Erdgas) dürfte eine nicht geringe Rolle bei der
Preisentwicklung spielen.
Schaut man nach vorn, so wird
beispielsweise im Wetter-Forum
eifrig über den kommenden Winter diskutiert
http://tinyurl.com/8brd2jl.
Niemand weiß tatsächlich, ob der Winter zu kalt oder zu warm wird.
Allerdings dürfte es so sein, dass einige Marktteilnehmer ihre Wette auf
die Veröffentlichung der NOAA-Vorhersage (Mitte Oktober) im Erdgas-Future
platzieren. Dabei hilft die saisonale Statistik. Diese sieht für den
Zeitraum September bis Mitte Oktober üblicherweise eine positive
Erdgas-Phase vor (folgender Chart).
Der Erdgas Preis neigt dazu,
den Ölpreis zwischen September und Dezember auszuperformen (folgender
Chart).
Im langfristigen Bild befindet
sich die Erdgas/Erdöl-Ratio auf einem historischen Niedrigniveau
(folgender Chart).
Der aktuelle US-Erdgas-Chart
weist eine zweimonatige Konsolidierungsformation unterhalb der
3-Dollar-Marke auf.
Wir schätzen die
Wahrscheinlichkeit eines Verlassens dieser Formation nach oben höher ein
als ein erneuter Test des April-Tiefs.
Fazit: Statistisch betrachtet
bietet es sich an, den US-Erdgas-Future im September in seine
Kaufüberlegungen einzubeziehen. Der Erdgaspreis dürfte insbesondere dann
steigen, wenn der US-Wetterdienst im Oktober einen kälteren Winter als
normal vorhersagt. Man sollte sich allerdings gewiss sein, dass die weiter
entfernten Futures teurer sind als die näher liegenden. Damit befindet
sich der Erdgasfuture im Contango. Dies bringt üblicherweise Rollverluste
mit sich. Antizipieren Sie die Entwicklung der Finanzmärkte mit Hilfe
unserer handelstäglichen Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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