Wellenreiter-Kolumne vom 10. Oktober 2012
Right on Target
Zwei Titelblätter des Spiegel
stellen den Klassiker unter den Buchcover- bzw. Titelblattindikatoren dar.
Am 25. Februar 1985 machte
der Spiegel mit dem Titelblatt "Superdollar" auf. Die Ein-Dollar-Note als
Superman traf das Multi-Dekaden-Hoch fast bis auf den Tag genau. An jenem
Tag war der Wert des Euro/Dollar (umgerechnet von DM/Dollar) auf 58 Cents
gefallen.
Der Spiegel schrieb: "
Amerika, das Amerika des Ronald Reagan, steht wieder ganz oben. Die
Währungsordnung der kapitalistischen Welt ist, so scheint's, zum
"Megadollar-Standard" ("Newsweek") pervertiert; die Valuta der anderen
Länder sind nur noch Anhängsel des allmächtigen nordamerikanischen
Zahlungsmittels."
Umgekehrt war es im November
2007. Der US-Dollar-Index fiel steil, der Euro/Dollar stieg hingegen an
und erreichte knapp die Marke von 1,50. Der Spiegel schmückte das
Titelblatt mit einem abstürzenden Papier-Dollar-Flieger. In der Titelstory
wurde der damalige Airbus-Chef Enders zitiert: "Das ist lebensbedrohlich."
Dieser Spiegel-Titel traf das Tief nicht genau (das kam im März 2008),
aber doch so, dass die Abwärtsbewegung bis auf einen kleineren Schub
vorüber war.
Hans Werner Sinn stellte
Anfang der Woche sein Buch "Die Target-Falle" vor. Parallel dazu
veröffentlichte die Bundesbank eine Statistik, wonach der Target-Saldo von
751 Mrd. Euro (August) auf 695 Mrd. Euro (September) schrumpfte.
Die Target2-Salden gelten als
Indikator für die Kapitalflucht aus den Defizitländern. Nachdem die
Target-Forderungen jahrlang zunahmen, sind im September Gelder zurück in
die Krisenstaaten geflossen. Das Erscheinen des Buches unterstützt unsere
Ansicht, dass diesem Wendepunkt eine gewisse Bedeutung zukommen dürfte.
Wie so häufig in der Geschichte der Finanzmärkte dürfte der
Veröffentlichungszeitpunkt eines solchen Buches eine wichtige Wendemarke
markieren.
Der im Chart eingezeichnete
Rendite-Spread Deutschland-Spanien erreichte im Juli/ August seinen
höchsten Stand. Er fiel innerhalb von zwei Monaten von 5,5 auf 4,1
Prozentpunkte. Die Schrumpfung des Spreads signalisiert eine Zunahme des
Vertrauens in das Euro-System.
"Europa braucht den Euro
nicht", titelte der in Gera geborene Thilo Sarrazin. Das Werk erschien am
22. Mai 2012 (siehe Pfeil folgender Chart).
Zwar bezeichnete das
Erscheinen des Buches nicht direkt das Euro-Tief, aber das Mai-Tief
(1,2357) fand nur eine Woche später statt. Das Verlaufstief wurde am 24.
Juli bei 1,2071 notiert. Aktuell notiert der Euro/Dollar nahe 1,30.
Ein letztes Beispiel für
gelungenes Timing bietet das in Deutschland vor zwei Jahren viel
diskutierte Buch "Deutschland schafft sich ab" von Thilo Sarrazin. Das
Buch erschien am 30. August 2010. Vorab-Auszüge erschienen in der
Bild-Zeitung ab dem 23. August. Am 27. August 2010 hielt Ben Bernanke
seine berühmte Jackson-Hole-Rede, in der er QE2 ankündigte und die
Finanzmärkte aufpumpte. Der DAX begann am 31. August 2010 eine Rally, die
den Index innerhalb von sechs Monaten 5.800 auf 7.400 Punkte
katapultierte.
Fazit: Das Erscheinen von
Titelgeschichten oder Büchern zu bestimmten Fachthemen stellt häufig den
letzten Schritt einer Trendentwicklung dar. Häufig hat sich der Autor
vorab längere Zeit mit seinem Thema beschäftigt. Verlage wissen, dass
Zeitfenster für interessante Fachthemen nicht beliebig lang sind, auch
nicht für den Euro oder für Target2. Diese Zeitfenster dürften sich jetzt
fürs erste schließen. Wir gehen davon aus, dass sich die
Target-Forderungen der Bundesbank vorerst nicht weiter ausdehnen werden.
Antizipieren Sie die
Entwicklung der Finanzmärkte mit Hilfe unserer handelstäglichen
Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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