Wellenreiter-Kolumne vom 6. November 2012
Annullierung von Staatsschulden
Die Debatte um die
Annullierung von Staatsschulden gewinnt an Kraft. Im folgenden NZZ-Artikel
wird der Stand der Diskussion zusammengefasst.
http://tinyurl.com/cxetvtq
Der Grundgedanke lässt sich am
besten am Beispiel Großbritanniens erläutern. Dort befinden sich ein
Viertel aller ausstehenden Gilts (britische Staatsanleihen) im Besitz der
Bank of England. Dies wurden im Rahmen des Quantitative Easing erworben.
Die NZZ führt dazu aus:
"Kernpunkt der Argumente im Markt ist, dass die bei der quantitativen
Lockerung von den Notenbanken erworbenen Staatsanleihen problemlos
annulliert werden können, da es sich um Transaktionen innerhalb des
öffentlichen Sektors handle, die sich gegenseitig aufheben: Die Schuld der
Regierung einerseits ist die Forderung der Notenbank anderseits, und beide
Posten heben sich gegenseitig auf."
Anders als von vielen
Marktteilnehmern erwartet hat der Erwerb von Schuldenpapieren durch die
Bank of England nicht zu einer Inflation in Großbritannien geführt. Im
Gegen-teil: Die offizielle Inflationsrate sank von 5,2% im Oktober 2011
auf 2,2% im September 2012. Das Ausbuchen der Staatsschulden würde die
Schuldenquote von 63% auf 41% des BIP absinken lassen.
Es erscheint wenig sinnvoll,
die Schulden, die die Zentralbank von Staat sowieso niemals zurückfordern
würde, in den Büchern zu belassen. Anders sieht es im Falle der privat
geführten Banken aus, die Forderungen an den Staat haben. Diese lassen
sich nicht ausradieren. Es sei denn, man verstaatlicht die Privatbanken.
Aber das muss gar nicht sein. Mit einem Schuldenstand von 41% vom BIP kann
ein Staat komfortabel haushalten.
In den USA beträgt der Anteil
der durch die Fed gehaltenen US-Staatsanleihen etwa 16 Prozent. Die
Anteilsentwicklung ist auf dem folgenden Chart dargestellt.
Es stellt sich die Frage, ob
ein von privaten Banken gehaltenes Konstrukt wie die Federal Reserve
überhaupt als öffentliches Organ gelten kann. Selbst wenn es nicht so ist.
Für die Frage der Annullierung von Staatsschulden ist dies nicht nicht
entscheidend. Wenn es der Wille sowohl der US-Regierung auf der einen
Seite als auch der Federal Reserve auf der anderen Seite wäre, die
Positionen in gegenseitigem Einvernehmen aufzuheben, dann könnten sie dies
so vertraglich besiegeln.
Für Japan käme eine solche
Lösung ebenfalls in Frage. In Euroland hingegen dürfte eine derartige
Vorgehensweise auf Schwierigkeiten stoßen. Denn zum einen hält die EZB
einen vergleichsweise geringen Anteil an Staatsanleihen. Und diese stammen
aus dem Süden des Euroraums. Würde die EZB hingehen und sich mit Spanien
auf ein gegenseitige Ausbuchung der Staatsanleihen einigen, würde das in
Deutschland zu recht nicht akzeptiert werden.
Der Inflationsvorbehalt greift
nicht, denn die Sünden wurden ja bereits begangen. Durch QE entsteht
frisches Geld und damit eine potentielle Inflationsgefahr, nicht aber
durch den eigentlichen Akt der Annullierung.
Wie wären die Auswirkungen auf
die Zinsentwicklung? Wie verhalten sich die privaten Halter von Anleihen
in einer solchen Situation? Würde es so kommen, könnte man damit andere
Konzepte wie das Vollgeld oder Free Banking kombinieren? Um zumindest den
letzten Teil vorwegzunehmen: Die Annullierung von Staatsschulden würde den
Anreiz für politische Entscheidungsträger, auf ein anderes Geldsystem
umzusatteln, verringern.
Die Debatte über die
Annullierung von Staatsschulden beginnt gerade. Antizipieren Sie die
Entwicklung der Finanzmärkte mit Hilfe unserer handelstäglichen
Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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