Wellenreiter-Kolumne vom 5. Dezember 2012
Der Euro als Goldstandard
In der NZZ-Printausgabe vom 23. November erschien unter der Überschrift
"Eine öster-reichische Verteidigung des Euro" ein Artikel von Jesus Huerta
de Soto. Der Autor vertritt die Ansicht, dass der Euro mit der Abschaffung
von Wechselkursen quasi die Funktion eines Goldstandards übernommen hat.
Man sollte wissen, dass Jesus Huerta de Soto ein recht prominenter
Vertreter der Österreichischen Schule ist. Die NZZ ließ keine
Online-Veröffentlichung folgen. Es existiert jedoch ein Text des Autors,
der zwar nicht deckungsgleich ist, aber doch die Gedanken in ähnlicher Art
und Weise transportiert.
http://tinyurl.com/ct55byu
Huerta de Soto vertritt die Meinung, dass die Währungsunion den
Forderungen der Vertreter der Österreichischen Schule entgegenkommt.
Solange noch kein Goldstandard existiert, sei der Euro die zweitbeste
Lösung. Die "Österreicher" sind gehalten, so Huerta de Soto, "alles zu
unternehmen, um damit sich das gültige Geldsystem sowohl in seiner
Funktion als auch in seinen Ergebnissen dem Ideal annähert. Dies erfordert
den monetären Nationalismus soweit als möglich zu begrenzen; die
Möglichkeit zu beenden, dass jedes Land eine autonome Geldpolitik
entwickelt; und der inflationären Politik der Kreditausweitung ein so
enges Korsett wie möglich anzulegen."
Tatsächlich wurde den Politikern im Korsett des Euro die Möglichkeit
genommen, mit Hilfe einer lokalen Währungsabwertung Inflation zu erzeugen.
Huerta de Soto: "Zum ersten Mal haben sich die Länder der Währungsunion
mit einer tiefen Wirtschaftsrezession auseinandersetzen müssen, ohne über
eine autonome Geldpolitik zu verfügen. Bis zur Einführung des Euro
handelten die Regierungen und Zentralbanken bei Beginn einer Krise
unweigerlich auf die gleiche Weise: Sie injizierten dem System die
notwendige Liquidität, ließen die lokale Devise nach unten treiben und
abwerten, und verschoben auf unbestimmte Zeit die schmerzhaften
Strukturreformen der ökonomischen Liberalisierung, Deregulierung, Preis-
und Marktflexibilisierung (vor allem des Arbeitsmarktes), die Verringerung
der Staatsausgaben, sowie den Rückzug und die Demontage der Macht von
Gewerkschaften und des Wohlfahrtstaats. Mit dem Euro ist trotz aller
Fehler, Schwächen und Kompromissen ... diese Art von unverantwortlicher
Flucht nach vorn nicht mehr möglich gewesen."
Man kann die Frage stellen, wie "erfolgreich" diese Korsettlösung
tatsächlich ist. Dazu zwei Charts. Spanien, Griechenland und Portugal
verzeichnen hohe Arbeitslosenquoten.
Quelle: Eurostat; 2013 und 2014 von der EU-Kommission geschätzt
Zudem hat sich die Reallohnentwicklung angeglichen. Betracht man die
Entwicklung seit 2003, so weist die Reallohnentwicklung in Griechenland
und Portugal erstmals schwächere Werte für diese Periode aus als die
Reallohnentwicklung in Deutschland.
Quelle: Europäischer Tarifbericht des WSI
Das Argument, ohne die
Währungsunion wäre es erst gar nicht erst zu starken Übertreibungen in den
Volkswirtschaften am Mittelmeer und Irlands gekommen (Stichwort
Immobilienblase), ist nicht von der Hand zu weisen. Billige Zinsen trieben
die Konsumenten in den genannten Staaten zu Höchstleistungen an, auch wenn
nicht in jedem der genannten Länder eine Immobilienblase zu verzeichnen
war. Die Problematik lag nicht in der Einführung des Euro, sondern in dem
so genannten "Konvergenztrade". Dies Renditespreads zwischen
Bundesanleihen und Anleihen südlicher Länder plus Irland fielen auf null.
Dieser "Trade" setzt nicht nur
eine Währungsunion, sondern auch eine politische Union voraus. Aber die
gab und gibt es nicht. Der Konvergenztrade beruhte auf einer
Fehleinschätzung der Marktteilnehmer. Ab 2008 wurde diese Fehleinschätzung
korrigiert. Die aktuelle Situation ist einer Währungsunion angemessen. Die
Spreads liegen - entsprechend den Bonitätsrisiken der Mitgliedsländer -
zwischen drei und vier Prozent.
In Griechenland wäre es
sowieso zum Knall gekommen. Andere Staaten hätten möglicherweise keine
übertriebene Immobilienblase erlebt. Aber die "Große Rezession" von 2007
bis 2009 wurde nicht in Europa, sondern in den USA ausgelöst. Von dort
lief sie wie ein Feuer um die Welt. Europa wäre davon nicht verschont
geblieben, ob mit oder ohne Euro.
Aber eins wäre anders
gelaufen. Jeder Staat hätte versucht, auf seine Weise das System zu
erhalten. Ohne das Euro-Korsett dürften die Politiker wenig Neigung
gezeigt haben, ihr System zu verändern und Reformen durchzuführen. Aus
diesem Grund lässt sich die Krise als notwendiges Übel für ein
Funktionieren der Währungsunion einordnen.
Es ist gar keine Frage: Die Schwächen des Euro-Systems
inklusive der politischen Manöver aus Brüssel und geldpolitischen Manöver
aus Frankfurt sind offensichtlich. Aus Sicht der Österreichischen Schule
müsste mehr geschehen, beispielsweise die Rückkehr zum Goldstandard bzw.
einer 100 Prozent gedeckten Reservewährung. Aber solange dies nicht so
ist, sollte man die disziplinierende Wirkung einer Währungsunion nicht
unterschätzen. Briten, US-Amerikaner und Japaner blasen deutlich mehr Geld
in ihre Systeme. Sie verfügen über kurze Abstimmungsprozesse ihrer
Institutionen, da sie Währung und eine Zentralbank ihr eigen nennen. Aus
dem Blickwinkel der Abstimmungsproblematik muss man es als Wunder
bezeichnen, dass die Währungsunion noch existiert. Sollte der Euro diese
Periode überleben - wovon wir ausgehen -, dann hat er die Chance, zu einer
Vorbildfunktion für andere sich integrierende Märkte zu werden.
Letztendlich funktioniert das
Korsett, was der Euro den teilnehmenden Ländern aufzwingt, nicht viel
anders, als ein Goldstandard es tun würde. Mit einer Ausnahme: Ein
Verlassen des Euro ist vertraglich nicht vorgesehen. Hingegen wurde der
Goldstandard - wenn man Geld drucken wollte - einfach
aufgegeben. Antizipieren Sie die Entwicklung der Finanzmärkte mit Hilfe
unserer handelstäglichen Frühausgabe.
Der
Wellenreiter-Jahresausblick 2013 erscheint zum Jahresende. Sichern Sie
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http://tinyurl.com/bphd22n
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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