Wellenreiter-Kolumne vom 31. Januar 2013
Keine Kohle mehr
"Die Belastung der Luft mit Schadstoffen nahm in den vergangenen 20 Jahren
deutlich ab.
Durch die Einführung von Filter- und Rauchgasreinigungsanlagen in
Kraftwerken und Industrieanlagen, den Einsatz emissionsärmerer
Brennstoffe, moderner Katalysatoren und Kraftstoffe werden heute deutlich
weniger Schadstoffe in die Luft freigesetzt.
Mittlerweile gibt es in Deutschland keine
Überschreitungen der europaweit geltenden Grenzwerte für Schwefeldioxid,
Kohlenmonoxid, Benzol und Blei mehr."
(aus: "Entwicklung der Luftqualität in Deutschland", Umweltbundesamt 2009)
Einen Tag vor Beginn der
olympischen Spiele im Jahr 2008 lag Peking unter einer dicken Smog-Wolke.
Die chinesische Regierung versuchte mit allen Mitteln dagegen anzukämpfen.
Nach dem Motto: "Es kann nicht sein, was nicht sein darf" wurde
Silberjodid in die Nebel/Smogwolken geschossen. In offiziellen Messungen
wurde die Luftqualität als "exzellent" bezeichnet. IOC-Präsident Jacques
Rogge wurde mit dem Statement zitiert: "Man muss ganz klar zwischen Nebel
und Luftverschmutzung unterscheiden".
Die Luftverschmutzung hat in
China seit dem Jahr 2008 weiter zugenommen. Die chinesischen
CO2-Emissionen haben diejenigen der USA weit hinter sich gelassen. Die
Emissionen Deutschlands sind vergleichsweise gering (folgender Chart). Die
Datenquelle für die folgenden drei Charts ist der World Energy Report von
BP.
Der Grund für die stark
wachsenden CO2-Emissionen liegt in der rasanten Ausweitung des
Kohleverbrauchs begründet. Seit dem Jahr 2003 hat sich dieser in China
nahezu verdreifacht.
Etwa die Hälfte des weltweiten
Kohlekonsums geht auf das Konto Chinas. Wie der folgende Chart zeigt, ist
China nahezu allein für den Anstieg des Weltkohle-Verbrauchs
verantwortlich.
Der Smog in Peking ist
heftiger denn je, wenn man die Medienberichte verfolgt. Die chinesische
Führung folgt der erwartbaren menschlichen Reaktionsabfolge. Wenn ein
unangenehmes Ereignis eintritt, wird es zunächst geleugnet. Oder man
versucht es zu verscheuchen. Bleibt es bzw. kehrt es immer wieder zurück,
wird man gezwungen, sich mit der Realität zu befassen. Auch die
offiziellen chinesischen Stellen stellen jetzt auffällige Smogwerte fest.
Smog in Peking bedroht die Politiker, deren Familien, deren Kinder. Je
persönlicher die chinesische Führung getroffen ist, desto stärker dürfte
eine erwartbare Anpassungs- und Veränderungsreaktion ausfallen.
Ein Vergleich mit Situation in
Deutschland vor 30 Jahren erscheint durchaus angebracht. Die Hochzeit des
Smog in Deutschland betraf der Zeitraum 1975 bis 1985. Mehrfach wurden
Smog-Alarme ausgerufen. Im Jahr 1985 kam es zu einem Smogalarm der Stufe
III im westlichen Ruhrgebiet (z.B. in Duisburg), verbunden mit
Fahrverboten und Einschränkungen für die Industrie. Bonn - als damalige
Bundeshauptstadt - liegt keine
100 km
von Duisburg entfernt. Neben der persönlichen Betroffenheit war die
Schaffung einer medialen Öffentlichkeit für dieses Thema die Grundlage für
den Sinneswandel. Die Bewegung der Grünen nahm Anfang der 1980er Jahre an
Fahrt auf, nicht zuletzt befeuert durch die Smog-Diskussionen. Der
Zusammenbruch der DDR und die damit verbundene De-Industialisierung
bedeutete den Sargnagel für Smog-Alarme in Deutschland.
Nimmt China einen ähnlichen
Weg wie Deutschland in dem Sinne, dass die Führung versucht, die
Schadstoffkonzentrationen zu reduzieren? Wichtig ist, dass auch in China
ein öffentlicher, medialer Druck zu wirken beginnt. Dies scheint der Fall
zu sein.
Aber: Mit Wachstumsraten von 7
bis 8 Prozent pro Jahr kann das Reich der Mitte die Kohlekraftwerke nicht
einfach abschalten. Deutschlands Primärenergiebedarf erreichte sein
Maximum im Jahr 1979. BP rechnet in seinem Energieausblick für 2030 mit
einem Anstieg des chinesischen Energiebedarfs um 80% gegenüber dem
heutigen Stand. Wie sollen unter diesen Umständen Kohlekraftwerke
abgeschaltet werden können? Dies geht nur, wenn andere Energieformen
ausgebaut werden. China plant den massiven Ausbau der Atomkraft sowie
weitere Investitionen in erneuerbare Energien. Der Smog dürfte die
Ausbaupläne beschleunigen. Nur dauert es, bis neue Kraftwerke ans Netz
gehen. Der Smog dürfte daher in den kommenden Jahren als hartnäckiger
Kollateralschaden des chinesischen Wirtschaftswachstums erhalten bleiben.
Wie stellen sich die
Investment-Opportunitäten dar? Kohle negativ, Erdgas positiv, Erdöl
neutral/positiv, Erneuerbare Energien positiv. Dies ist die kurze Antwort.
Der Blick auf den Preischart für US-Kohle offenbart Überraschendes: Trotz
des in den vergangenen Jahren extrem gestiegenen Kohleverbrauchs in China
befindet sich der "US-Coal-Future" in New York auf dem Niveau des Jahres
2004.
Unter den geschilderten
Umständen und auch aufgrund des Umstandes, dass billiges "Shale Gas" Kohle
in den USA zunehmend ersetzt, sollte der Kohlepreis in den kommenden
Jahren tendenziell ein "Short" sein.
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Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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