Wellenreiter-Kolumne vom 13. März 2013
Bevölkerungspyramide stützt Japan
Eine Bevölkerungspyramide wird
deshalb so genannt, weil die Alterstruktur in früheren Zeiten (z.B.
Deutschland um 1890) einer Pyramidenform entsprach. Eine solche Struktur
entsteht bei vielen geborenen Kindern und einer hohen Sterblichkeit über
alle Alterstufen hinweg.
Je nach Geburtenhäufigkeit und
Sterberate sind die Strukturen weltweit völlig unterschiedlich. Als
Beispiel für eine verbreiterte Pyramidenform gelten afrikanische Staaten
wie beispielsweise Nigeria. Eine solche Form bezeichnet eine sehr hohe
Geburtenrate, verbunden mit einer hohen und frühen Sterberate.
Nachdem der Aktienmarkt
Nigerias in den vergangenen Jahren stagnierte, steigt er seit dem Sommer
2012 an. Die Bevölkerungspyramide kann im Hinblick auf die wirtschaftliche
Entwicklung Nigerias aufgrund ihrer Gleichmäßigkeit kaum Hilfestellung
bieten. Allenfalls sagt sie aus, dass Nigeria über den Stand eines
Entwicklungslandes noch nicht hinausgekommen ist. Die Ausbildung einer
breiten, konsumfreudigen Mittelschicht, die für gesundes
Wirtschaftswachstum unabdingbar ist, scheint sich allenfalls in den
Anfängen zu befinden. Denn mit der Ausbildung einer Mittelschicht würde
ein Rückgang der Sterberaten der 30 bis 50jährigen einhergehen, da sich
diese Schicht eine bessere medizinische Versorgung leisten könnte. Ein
solcher "Wohlstandsbauch" ist auf dem Chart noch nicht zu erkennen.
Die meisten Industrienationen
wären froh, wenn sie den aktuellen Bevölkerungsstand halten könnten. Mit
einer Pyramidenform wie beispielsweise derjenigen Italiens wird dies kaum
gelingen (folgende Grafik).
Die Altersklasse der 40 bis
49jährigen ist besonders deutlich ausgeprägt.
Die Bevölkerungspyramide
Deutschlands zeigt eine ähnliche Form.
Die stärkste Gruppierung wird
von der Altersklasse der 45 bis 54jährigen gestellt. Deutschland ist
Italien in der Entwicklung um etwa fünf Jahre voraus.
In Spanien wiederum stellen
die 35 bis 44jährigen die stärkste Altergruppe.
Die Schrumpfung - angefangen
von der Altersgruppe der 35 bis 39jährigen bis hinunter zu den 15 bis
19jährigen - stellt sich in Spanien drastischer dar als in Deutschland. Es
ist erschreckend, dass trotz einer absolut betrachtet geringen Anzahl
junger Menschen die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien bei 50 Prozent liegt
und die Auswanderungsraten steigen. Die Altersgruppe der 20 bis 24jährigen
umfasst 2,4 Mio.; die Gruppe der 35 bis 39jährigen ist fast doppelt so
groß.
Der gedankliche Übergang zum
Finanzmarkt ergibt sich aus dem Zusammenhang zwischen Bevölkerungsstruktur
und Konsumnachfrage. Aus US-Studien - wir verweisen insbesondere auf Harry
Dent - wissen wir, dass die konsumfreudigste Altersgruppe aus den 43 bis
47jährigen besteht. Die Kinder werden schulpflichtig, ein Hausbau steht
an, Familienurlaubsreisen in den Schulferien belasten den Etat. Während
sich diese Altersgruppe in Deutschland und auch bald in Italien im
Schrumpfungsprozess befindet, wird diese in Spanien in den kommenden fünf
Jahren noch wachsen, bevor auch hier der Rückgang einsetzt. Es kann also
durchaus sein, dass das Thema Hausbau in Spanien nochmals revitalisiert
wird. Dies allerdings sollte - nachdem die Boom/Bust-Erfahrungen den
Menschen noch in den Knochen stecken - auf bescheidenem Niveau erfolgen.
China hat das
Urbanisierungspotential zwar noch nicht ausgeschöpft. Aber auch hier
beginnt - ähnlich wie in Deutschland und Italien - in Kürze der
Schrumpfungsprozess der konsumfreudigsten Bevölkerungsgruppe.
Die Altersgruppe der 40 bis
49jährigen stellt die mit Abstand größte Gruppe dar. Die Frage, die wir
nicht beantworten können, lautet: Hat sich diese Gruppe bereits im Rahmen
des bisherigen Booms ausreichend mit Immobilien versorgt? Oder besteht
hier weiterhin ein großes Nachfragepotential? Eines ist jedenfalls klar:
Die Gruppe der jetzt 30 bis 39-jährigen ist zahlenmäßig derart schwach,
dass diejenigen, die auf ein steigendes Konsumverhalten Chinas für die
kommenden Jahre setzen, enttäuscht werden dürften. Erst wenn die
Gruppierung der heute 20 bis 29jährigen auf den Immobilienmarkt drängt,
kann er zu einer Echo-Immobilienblase kommen. Das wird noch mindestens 10
Jahre dauern. Ergo: Ein chinesischer Immobilienboom wie 2003 bis 2007
erscheint für die kommenden 10 Jahre ausgeschlossen.
Ende der 1980er Jahre fand in
Japan ein Immobilienboom statt, ausgelöst durch die Gruppierung der heute
60 bis 69jährigen. Diese befand sich damals im besten Konsumalter. Auf der
japanischen Bevölkerungspyramide ist diese Altersgruppe als eine
unübersehbare Ausbuchtung erkennbar (siehe schwarze Pfeile folgender
Chart).
Doch Japan hat noch einen
Trumpf im Ärmel: Eine zweite starke Altersgruppe. Das sind die 35 bis
44jährigen (rote Pfeile obiger Chart). Es dürfte auf das Konto dieser
Gruppierung gehen, wenn die Bemühungen der japanischen Regierung, die
Wirtschaft anzukurbeln, erfolgreich verlaufen sollten. Wenn, dann besteht
jetzt die Chance, die japanische Wirtschaft aus der Deflation zu ziehen.
Fazit: Länder wir Deutschland
und Italien stehen aus Sicht der Altersstruktur vor kaum lösbaren
Aufgaben. Solange Deutschland eine hohe Exportquote fährt und der
Arbeitsmarkt im Bezug auf Fachkräfte nicht ausreichend ergiebig ist,
entsteht die an sich paradoxe Situation, dass junge ausländische
Fachkräfte in Deutschland benötigt werden, die dafür sorgen, dass der
Export ins eigene Heimatland intensiviert wird. Die Drehschreibenfunktion
Deutschlands wird aus der Exportquote deutlich: Sie beträgt aktuell 41,5
Prozent vom BIP. In den 1990er Jahren waren Werte zwischen 20 und 25
Prozent die Norm. Deutschland ist davon abhängig, diese hohe Quote
aufrecht zu erhalten. Würden deutsche Produkte in der Welt nicht mehr
gefragt sein (mögliche Gründe: zu teuer, Qualitätsverlust, Ansehensverlust
etc.), würde Deutschland in eine starke Rezession rutschen, solange dieser
Zustand andauert.
Aus Sicht der
Bevölkerungsstruktur erscheint die japanische Wirtschaft für die kommenden
Jahre unterstützt. Chinas Wachstum dürfte durch Alterungsprozesse
behindert werden. Antizipieren Sie die Entwicklung der Finanzmärkte mit
Hilfe unserer handelstäglichen Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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