Wellenreiter-Kolumne vom 27. März 2013
Eisige Aussichten
Es ist amtlich. Laut DWD war der März 2013 in einigen Regionen
Deutschlands der kälteste März seit 130 Jahren, wenn nicht seit Beginn der
Wetteraufzeichnungen. Angesichts der eisigen Temperaturen kommen Gedanken
an eine bevorstehende Eiszeit oder zumindest kleine Eiszeit auf.
Tatsächlich ist der Schnell- und Eisbedeckungsrad der nördlichen
Hemisphäre für Ende März beträchtlich.
Quelle:
http://arctic.atmos.uiuc.edu/cryosphere/
Die aktuelle Schnee- und Eisbedeckung entspricht in etwa einer Ausdehnung,
wie sie vergangene Eiszeiten vorweisen konnten (folgendes Bild).
http://en.wikipedia.org/wiki/Ice_age
Der kleine Unterschied: Damals waren die Eismassen etwa 3 bis 4 Kilometer
dick. Aufgrund der in Eis gebundenen Wassermasse lag der Meeresspiegel 120
Meter unterhalb des aktuellen Niveaus.
Für die Entstehung einer Eiszeit müsste die aktuelle Lage über einen
längeren Zeitraum konserviert werden. Im Rahmen kurzer, kühler und
bedeckter Sommer müsste sich ein Teil des Schnees ins Folgejahr
hinüberretten. Mit der Zeit würde durch die Albedo-Abstrahlung (Reflektion
des Sonnenlichts zurück ins All) ein sich selbst verstärkender Prozess in
Gang kommen. Wenn Wissenschaftler das heutige Erdzeitalter
charakterisieren, sprechen sie von einem „Interglazial“, also einer
Zwischeneiszeit.
In den vergangenen Dekaden kam es zu einer deutlichen klimatischen
Erwärmung. Der Verlauf dieses Anstiegs ist auf dem folgenden Chart
abgebildet. Die Daten stammen vom britischen Wetterdienst (Metoffice).
Temperaturanstiege und –Rückgänge erfolgen in 30-Jahres-Zyklen. Dies gilt
zumindest seit 1850. Das letzte Hoch war im Jahr 1998 zu verzeichnen.
Seither läuft die weltweite Durchschnittstemperatur seitwärts, allerdings
mit einem kleinen Abwärts-„Touch“. Gemäß dem 30-Jahres-Zyklus wären wir
„halb durch“. Will heißen: Auch in den kommenden 15 Jahren bliebe die
Tendenz in Richtung Abkühlung erhalten.
Seit dem Wintersturm Kyrill (Januar 2007) sind ausgesprochene
Westwind-Wetterlagen seltener geworden. Die Metrologen sprechen von einem
„ruhenden“ Atlantik. Phasen, in denen Tiefdruckgebiete wie an einer
Perlenkette aufgereiht West- und Mitteleuropa mit Regenfronten
überschütten, kommen kaum noch vor. Das Abschmelzen des Polareises im
Sommer soll einer der Auslöser dieser Umstellung sein. Der dadurch erhöhte
Süßwassereintrag soll – so die Theorie – den Golfstrom schwächen und so
für die laufende Mini-Abkühlung sorgen.
Eine andere Theorie stellt den Sonnenflecken-Zyklus in den Vordergrund.
Wir zeigen nachfolgend den 30-Jahres-Durchschnitt des Sonnenflecken-Zyklus
sowie die Entwicklung der Temperaturanomalie.
Wissenschaftler vermuten, dass die Sonnenflecken mit Verzögerung auf das
Klima einwirken. Seit Beginn des neuen Jahrhunderts ist der gleitende
30-Jahres-Durchschnitt des Zyklus abwärts gerichtet.
Die niedrige Amplitude des aktuellen Zyklus entspricht der Gewohnheit der
Sonne, in den ersten ein bis zwei Dekaden eines Jahrhunderts „etwas
weniger Gas zu geben“ als sonst. Wir haben die niedrigen Amplituden mit
Pfeilen gekennzeichnet.
Da das berechnete Maximum in Kürze erreicht sein wird oder bereits
erreicht wurde und das folgende Minimum für den Zeitraum um das Jahr 2020
berechnet wird, dürfte die solare Aktivität auch in der restlichen Zeit
der ersten beiden Dekaden dieses Jahrhunderts auf niedrigem Niveau
verbleiben. Dieser Zyklus stützt die weiter oben getroffene Annahme, dass
der globale Klimazyklus auch in den kommenden Jahren abwärts – oder
zumindest seitwärts – gerichtet sein wird.
Im Hinblick auf die Finanzmärkte ist der Zusammenhang zwischen Klima,
Sonnenaktivität und Finanzmärkten interessant. Die Sonnenfleckenmaxima
gehen üblicherweise mit einem Inflationspeak einher.
Nach einem Inflationspeak folgt häufig eine wirtschaftliche Schwächephase.
So erscheint es wenig verwunderlich, dass in den vergangenen Jahrzehnten
stets eine US-Rezession an oder kurz nach einem Sonnenfleckenmaximum
stattgefunden hat (nächster Chart).
Auch an Sonnenfleckenminima fanden US-Rezessionen statt. Aber das
eigentlich perplexe ist die Aussage: „Kein solares Maximum ohne
US-Rezession“: Danach würde in Kürze erneut eine US-Rezession auftreten.
Vergleicht man den 30-Jahres-GD der solaren Aktivität mit dem Verlauf des
Rohstoffindex seit 1800, so lassen sich durchaus Parallelen ziehen.
Danach hätten die Rohstoffe bereits überzogen.
Als abschließendes Beispiel sei der Verlaufsvergleich der solaren
Aktivität mit Kupfer dargestellt.
Ohne Frage beeinflusst das Klima die
wirtschaftliche Aktivität. Der erste Teil der so genannten „Kleinen
Eiszeit“ führte in Mitteleuropa zu anhaltenden Hungersnöten. Er dürfte
nicht unwesentlich zum Ausbruch des 30jährigen Krieges beigetragen haben.
Richtig ist auch: Seit der Erfindung und breiten Nutzung von Techniken,
die es dem Menschen erlaubt, das Klima zumindest in den Innenräumen zu
kontrollieren (Klimaanlagen), macht sich die weltwirtschaftliche
Entwicklung unabhängiger von klimatischen Gegebenheiten. Man denke an die
Golfstaaten oder an die Tiger-Staaten nahe dem Äquator. Dennoch: Weite
Teile der nördlichen Hemisphäre befinden sich in einer klimatisch
sensiblen Zone. Würde sich die Abkühlung weiter fortsetzen, so dürften
beispielsweise Immobilien an der Ostsee weniger nachgefragt sein, während
der spanische Immobilienmarkt eine Renaissance erfahren dürfte. Palma de
Mallorca kann Ende März 2013 immerhin mit angenehmen 20 Grad aufwarten.
Fazit: Ob CO2, Sonnenflecken, Meeresströmungen oder Vulkanausbrüche:
Klimabeeinflussende Faktoren verändern sich ständig. Es wäre unter diesen
Umständen geradezu unlogisch, wenn sich unser Klima nicht beständig
verändern würde. Ein vergleichsweise kurzer Zyklus wie ein
30-Jahres-Zyklus, den wir ja im Verlauf einer Lebensspanne wahrnehmen
können, erscheint nicht abwegig.
Die Auswirkungen des Klimas auf die Finanzmärkte sollte man stets in seine
Überlegungen mit einbeziehen. Die angesprochenen Zyklen verweisen - auf
Sicht der kommenden Jahre - auf eine ehr deflationäre Entwicklung an den
Finanzmärken. Testen Sie unsere handelstägliche Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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