Wellenreiter-Kolumne vom 10. April 2013
Sind Bitcoins wertvoller als Tulpen?
Wir berichteten das erste Mal über die
Cyber-Währung Bitcoin im Sommer 2011 im Rahmen einer Wellenreiter-Kolumne:
http://tinyurl.com/5w5gdrs.
Aktuell befindet sich der Wechselkurs oberhalb von 200 Dollar für einen
Bitcoin.
Der Wechselkurs kann wie folgt darstellt werden. Dies ist eine
arithmetische Betrachtung.
Danach befindet sich Bitcoin deutlich in einer Blase. So ähnlich sehen
auch arithmetische Darstellungen von Staatsverschuldungen aus.
Allgemein präferieren wir eine logarithmische Betrachtungsweise. Diese
zeigt Veränderungen in prozentualer Form an.
In Verbindung mit dem täglichen Handelsvolumen lässt sich die Historie von
Bitcoin in mehrere Phasen unterteilen. Im Oktober 2010 begann das, was man
aus Elliott-Wellen-Sicht die Phase 1 nennen würde. Mit vergleichsweise
hohem Volumen sprang der Bitcoin-Preis an. Er stieg von 6 Cents im Oktober
2010 auf 40 Cents im Januar 2011. Nach einer kurzen Pause begann der
Angriff auf die 1-Dollar-Marke. Diese konnte mangels Volumen zunächst
nicht überwunden werden.
Nachdem Bitcoin Mitte April 2011 diese wichtige psychologische Barriere
überwand, setzte die letzte und intensivste Phase des ersten Anstiegs ein
(Elliot-Wellen-mäßig die „5 innerhalb der übergeordneten Phase 1“). Mit
dem Hoch im Juni 2011 kam ein „Verdauungsprozess“ in Gang, der im November
2011 mit einem dramatischen Volumen-Spike an der 2-Dollar-Marke endete.
Der Bitcoin-Preis erholte sich in der zweiten Jahreshälfte 2012. Dabei
konnte er die 10-Dollar-Marke überwinden. Anfang 2013 war die
Konsolidierungsphase abgeschlossen.
Mitte Januar 2013 begann das, was vielerorts „Blasenbildung“ genannt wird.
Der Kurs steigt seit einigen Monaten mit vergleichsweise hohem Volumen
deutlich an. Die hohe Aufmerksamkeit, die Bitcoin in den vergangenen
Wochen zu Teil wurde, hat den Kursanstieg bisher nicht bremsen können. Die
100-Dollar-Marke wurde am 1. April, die 200-Dollar-Marke am 9. April
überwunden.
Aus Sicht der Elliott-Wellen-Theorie hätte im Januar die Phase 3 von 5
begonnen. Diese Anstiegsphase ist intensiv und lang, aber schließt die
Blase meist noch nicht ab. Es folgt eine vierte, seitwärts-/ abwärts
verlaufende Phase. Die meisten Marktteilnehmer nehmen in einer solchen
Phase an, dass die Bewegung beendet ist. Doch das ist meist nicht der
Fall. Es folgt noch eine steile Anstiegsphase 5. In einer solchen Phase
werden massenweise Trader und Investoren aktiv. Die Psychologie spielt
verrückt. Die Skepsis verändert sich in Euphorie.
Gegen eine Blasenbildung zum jetzigen Zeitpunkt spricht das
vergleichsweise moderate Handelsvolumen. Selbst in diesen Tagen werden
nicht mehr als etwa 140.000 Bitcoins pro Tag umgesetzt. Das entspricht zum
aktuellen Zeitpunkt etwa 33 Millionen US-Dollar. Die Bitcoin-Börse Mt. Gox
wickelt etwa 70% des Handelsvolumens ab.
Betrachtet man das weltweite Interesse, so sind es nicht so sehr die
Peripherie-Länder, in denen das Wort „Bitcoin“ gegoogelt wird. Vielmehr
kommen die Suchanfrage aus Russland, Skandinavien, Großbritannien, den
USA, Kanada und Australien, aber auch aus Deutschland und den
Osteuropäischen Staaten.
Betrachtet man Städte, so liegt Moskau vor San Francisco vorn. Bei San
Francisco könnte man zusätzlich berufliches Interesse annehmen, im Falle
von Moskau könnte die Suche nach einer Zypern-Alternative im Vordergrund
stehen. Bei einer im Umlauf befindlichen Bitcoin-Geldmenge M1 von über
einer Milliarde US-Dollar beginnt es selbst für Oligarchen interessant zu
werden.
Es begann mit einigen „Nerds“. Diese sind die Frühadaptoren dieser neuen
Währung. Sie sind – sollten sie ihre Bestände bis heute gehalten haben –
die größten Profiteure. Aber dies dürfte in den wenigsten Fällen so sein,
denn zwischen September 2011 und wurden Bitcoins mit vergleichsweise hohem
Volumen umgeschlagen.
Es wird stets behauptet, dass die Nutzung von Bitcoin der Inflation
entgegenwirke, weil die Menge umlaufenden Bitcoins auf 21 Millionen
begrenzt sei. Dies ist ein Trugschluss. Gerade eine solche Begrenzung
sorgt dafür, dass das Gut knapp bleibt. Knappes Angebot bei steigender
Nachfrage bedeutet Inflation. Letztendlich spielt es für eine
Blasenbildung keine Rolle, welches Investmentvehikel dafür verantwortlich
ist. Das Vehikel sollte jedoch in der Endphase einer Blase von der Masse
angenommen werden. In Spanien kauften sich die Menschen Häuser: Nicht um
sie zu bewohnen, sondern um sie zu einem höheren Preis wiederzuverkaufen.
Das Investmentvehikel wird zum Spekulationsobjekt.
Die Fed könnte blass werden, wenn im Zuge einer Blase frei konvertierbare
Bitcoin-Geldmengen in Milliarden-Dollar-Höhe aus dem nichts geschaffen
werden würden, und das in einem immer schnelleren Tempo. Denn anders als
im Falle des QE wird das geschöpfte Geld nicht auf Fed-Konten geparkt,
sondern kommt dem Wirtschaftskreislauf zugute. Bitcoin wäre – wenn es
richtig in die Gänge käme – auf dem Höhepunkt der Blase ein
Konjunkturprogramm mit inflationärem Charakter. Man denke an die
Dot.com-Blase im Jahr 2000. Die USA erzielten aufgrund der konjunkturellen
Belebung einen Haushaltsüberschuss.
Es darf daran erinnert werden, dass die Anfänge der Mississippi-Blase
(Paris) und Südseeblase (London) recht genau 300 Jahre zurückliegen. John
Law fachte die Blase an, indem der Kredite auf Papiergeldbasis vergab. Die
Einführung von Papiergeld bedeutete für die Bevölkerung etwas völlig
Neues, nachdem zuvor lediglich mit Gold- bzw. Silbermünzen bezahlt werden
konnte. Dennoch gewann das Geld das Vertrauen der Bevölkerung. Die
Mississippi-Blase lief von 1716 - das erste Papiergeld wurde gedruckt –
bis 1720. Die Südsee-Blase platze Mitte 1720.
Wem es in den Fingern juckt, dem sei gesagt, dass die „reichsten“
Bitcoin-Nutzer etwa 100.000 Bitcoins (etwa 20 Mio. US-Dollar) in ihrem
„Wallet“ aufbewahren. Es dürften nur einige hundert Nutzer weltweit sein,
die über einen Bitcoin-Account von mehr als einer Million Dollar verfügen.
Selbst das finanzstarke Kapital dürfte sich hüten, alles auf eine Karte zu
setzen. Ebenso erscheint klar, dass große Hedgefonds noch nicht in dieses
Geschäft eingestiegen sind. Ansonsten würden ganz andere Summen
auftauchen.
Niemand kennt die weitere Entwicklung des Bitcoin-Kurses. Alles hängt
davon ab, ob sich diese Cyber-Währung zu einer selbsttragenden
Aufwärtsbewegung aufschwingt, die von der Spekulation auf weiter steigende
Preise durch den „nächsten Dummen“ befeuert wird. Buy low, sell high. Aber
was ist hoch, was ist niedrig? Solange sich stets ein nächster Dummer
findet, kann die Angelegenheit eine ganze Weile andauern. Waren Tokios
Grundstücke auf dem Höhepunkt der Nikkei-Blase 1990 nicht mehr wert als
alle Grundstücke des US-Staates Kalifornien? Warum annehmen, dass die
Rationalität die Oberhand behält, wenn in der Historie viele Beispiele für
irrationales Verhalten an den Finanzmärkten gefunden werden können? Sind
Tulpen wertvoller als Papiergeld? Sind Bitcoins wertvoller als Tulpen?
Oder ist es umgekehrt? Der Markt entscheidet das.
Aufgrund der Konstruktion von Bitcoin und der damit einhergehenden Risiken
sollte jedoch klar sein, dass man nur so viel Geld in Bitcoin investieren
sollte, wie man zu verlieren bereit ist. Dieser Meinung des
Bitcoin-Verantwortlichen Gavin Andresen schließen wir uns an.
Was würde ein durch Bitcoin ausgelöster inflationärer Push für den
Goldpreis bedeuten? Grundsätzlich bringt Inflation einen negativen
Realzins mit sich, so dass sich eine solche Bewegung positiv auf den
Goldpreis auswirken dürfte. Entsteht eine Konkurrenzsituation? Weder
Bitcoins noch Gold werfen eine Rendite ab. Aufgrund der Risiken dürfte
Bitcoin auf längere Sicht kein „Sicherer Hafen“ sein. Gold behält diese
Funktion hingegen stets bei. Aus diesem Grund dürfte Gold nicht durch
Bitcoin kannibalisiert werden.
Der Geist ist aus der Flasche. Bitcoin, die Cyber-Währung, die man auf dem
USB-Stick mit sich herumtragen kann, existiert. Bitcoin ist weitgehend
noch kein Zahlungsmittel. Der aktuelle Zustand lässt sich mit „Neugier-
und Spekulationsinteresse“ beschreiben. Es ist zu bezweifeln, ob es
staatlichen Institutionen gelingt, diesen Geist in der Flasche
zurückzudrücken. Der Weg von Bitcoin ist nicht vorgezeichnet. Aber die
Cyber-Währung wird mehr und mehr zu einem Faktor, der von Finanzwirtschaft
und Politik kaum noch ignoriert werden kann. Lässt man Bitcoin den Raum,
den man der Währung bisher gelassen hat, so dürfte sich die Cyber-Währung
weiter verbreiten.
Die Zentralbankchefs treffen sich regelmäßig bei der Bank für
internationalen Zahlungsausgleich in Basel. Das Thema Bitcoin dürfte in
den vergangenen Wochen in der Prioritätenliste weiter nach oben gerückt
sein. Testen Sie unsere handelstägliche Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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