Wellenreiter-Kolumne vom 9. August 2013
Right on Target II
Im Oktober 2012 erschien das Buch
“Die Target-Falle” von Hans-Werner Sinn. „Der Veröffentlichungszeitpunkt
dürfte eine wichtige Wendemarke markieren“, schrieben wir damals in der
Kolumne „Right on Target“. Tatsächlich fällt der Target2-Saldo der
Bundesbank seit Oktober 2012. EZB-Chef Mario Draghi sprach am 1. August
2013 von einer „bedeutsamen Reduzierung des Target 2-Saldos“.
Der Fall von 719 auf 576 Mrd. Euro bedeutet einen Saldo-Abbau in Höhe von
20 Prozent. Der Abbau erfolgte von Oktober 2012 bis Januar 2013 recht
deutlich. Anschließend verringerte sich die Dynamik. Parallel zum Target
2-Saldo haben wir den Renditespread zwischen 10jährigen Anleihen
Deutschlands und Spaniens eingezeichnet (obiger Chart). Der
Entspannungsprozess ist gut erkennbar.
Der Gesamtblick auf die Renditespreads spanischer, italienischer und
französischer Staatsanleihen zu deutschen Bundesanleihen zeigt ebenfalls
ein Entspannungsmuster (folgender Chart).
Getragen durch eine positive Börsenentwicklung in Paris, Mailand und
Madrid hat der EuroStoxx 50 sein Jahreshoch aus dem Mai nahezu erreicht.
Und der Euro? Es herrscht Ruhe wie seit drei Jahren nicht mehr. Der
Euro/Dollar bewegt sich bei 1,34 in einer Handelsspanne.
Es ist ein Glücksfall für Angela Merkel, eine derartige Situation
unmittelbar vor einer Bundestagswahl vorzufinden. Ihr Motto: Am besten nur
gucken, nicht anfassen. Bloß keine Instabilität durch Aktivität ins System
bringen.
Sollte sich die Situation an den Weltmärkten verschlechtern, so dürften
Nachrichten aus Euroland eher nicht dafür verantwortlich sein.
Der Blick richtet sich auf die BRIC-Staaten und in die USA. An der NYSE
traten an den vergangenen vier Handelstagen drei Hindenburg-Omen auf.
Diese ergeben sich deshalb, weil die Zahl der neuen 52-Wochen-Tiefs
derzeit recht hoch ist. Dies ist auf die Vielzahl von an der NYSE
notierten und derzeit schlecht laufenden Anleihefonds zurückzuführen.
Hindenburg-Omen weisen in der Regel auf fallende US-Aktienmärkte hin.
Die Bereitschaft der Marktteilnehmer, Risiken zu gehen, nimmt ab. Dies
jedenfalls lässt sich aus der fallenden Ratio der Hochzinsanleihen zu den
normalen Anleihen ablesen.
Diese läuft üblicherweise parallel zum US-Aktienmarkt. Aktuell bildet sich
eine negative Divergenz aus. Wir gehen davon aus, dass die Aktienmärkte
der Ratio folgen werden.
Auch der zyklische Blickwinkel zeigt eine recht hohe Wahrscheinlichkeit
für eine Korrektur an den Märkten an. Dargestellt sind die
Durchschnittsverläufe der Nachwahljahre, in denen der US-Präsident
wiedergewählt wurde.
Die BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China befinden sich in
einem Zustand unspezifischer Schmerzen. Das jahrelange Wachstum kam nach
der Krise von 2008/09 nicht so zurück, wie man es gewohnt war. Die Märkte
gingen in eine gefühlte Stagnation über. Dies lässt sich schön an den
Chartverläufen Leitindizes der BRIC-Staaten ablesen.
Die Leitindizes sind auf den Juli 2005 geeicht, um einen Vergleich
zwischen den Indizes ermöglichen zu können. Seit dem zweieinhalb Jahren
befinden sich die Leitindizes der BRIC-Staaten in einer
Seitwärts-/Abwärtsbewegung. Es ist anzunehmen, dass es in diesen Märkten
noch zu einer bereinigenden, letzten Abwärtsbewegung kommt, bevor das
Kapital in die BRIC-Staaten zurückfließt.
Fazit: Kommt es in den kommenden Wochen zu Enttäuschungen an den Märkten –
wovon wir ausgehen – dann dürfte Euroland nicht als Sünder ausgeguckt
werden. Chancen auf diesen Titel haben dieses Mal die USA und die
BRIC-Staaten. Das bedeutet aber nicht, dass Euroland in einem Krisenfall
aus dem Schneider wäre. Fallen die Dominosteine USA und BRIC, so dürfte
insbesondere das Zentrum Eurolands (Deutschland, Frankreich) leiden. Es
könnte gut sein, dass Target-Salden und Spreads deshalb weiter sinken,
weil sich die europäische Peripherie relativ besser hält.
Wir bleiben bei unserem Szenario einer wenig gemütlichen zweiten
Jahreshälfte an den Finanzmärkten.
Testen Sie unsere handelstägliche Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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