Wellenreiter-Kolumne vom 31. August 2013
Heli-Ben und das Deflationsgespenst
Als die Aktienmärkte in den 1920er Jahren immer neue Höhen erklommen
(„Roaring Twenties“), zog eine Anlageklasse nicht mit: Die Rohstoffe.
Diese markierten bereits zu Beginn der 1920er Jahre ihr Hoch. Nach dem
Crash von 1929 zog es nicht nur die Aktienmärkte, sondern auch die bereits
schwächelnden Rohstoffe weiter unten. Eine Phase der Deflation und
Depression folgte.
Wir zoomen in die Gegenwart. Ben Bernanke ist ein Student der 1920/30er
Jahre. Er möchte eine Phase wie damals unter allen Umständen verhindern.
Doch so richtig will die Inflation - trotz massiven Gelddruckens der
Notenbanken - nicht in Gang kommen. Selbst der jüngst steigende Ölpreis
scheint nicht zu helfen. Der Kupferpreis, ein zuverlässiger
Inflationsindikator, markierte gerade ein niedrigeres Hoch. Damit nähert
sich der Kupfer-Future in New York erneut der so wichtigen
Drei-Dollar-Marke (blaue Linie folgender Chart).
Unterhalb der 3-Dollar-Marke befindet sich Luft. Eine größere
Unterstützung lässt sich erst an der Marke von 1,50 Dollar identifizieren
(2008er-Tief). Fiele die 3-Dollar-Marke, könnte der Kupferpreis schnell um
50 Prozent fallen.
Im Juli stieg die sogenannte PCI-Inflation um 1,4% gegenüber dem
Vorjahresmonat. Die PCI-Inflation – eine spezielle Messung der
persönlichen Konsumausgaben der US-Verbraucher – wird von der Federal
Reserve bevorzugt. Das Langfrist-Inflationsziel von 2% - mit einer
Toleranz von 0,5% nach oben - wird von der Fed an der PCI-Inflation
festgemacht. Hingegen genießt die CPI-Inflationsrate die größere
öffentliche Aufmerksamkeit – wohl weil sie zeitnäher ermittelt wird. Sie
legte im gleichen Zeitraum um 2% zu.
Aufgrund des Basiseffekts ergibt sich für die kommenden drei Monate eine
Anomalie in der Inflationsrate, die es zu beachten gilt. Der Basiseffekt
ergibt sich aus dem starken Anstieg der Inflationsrate im August und
September 2012. Damals stieg die PCE-Inflationsrate gegenüber dem
Vormonat jeweils um 0,3% deutlich an. Gegen diesen Basiseffekt muss
die US-Inflationsrate in den kommenden Monaten ankämpfen.
Das
bedeutet: Steigt die US-Inflationsrate in den kommenden beiden Monaten
gegen-über dem Vormonat vergleichsweise schwach oder gar nicht, so wird
die offizielle Inflationsrate, die gegenüber dem Vorjahresmonat
gemessen wird, deutlich fallen.
Wir
haben es einmal durchgerechnet. Im Juli stieg die PCE-Inflation um 0,1%
gegenüber dem Vormonat. Würden sie im August, September und Oktober
ebenfalls jeweils um 0,1% steigen, so würden sich die folgenden
Inflationsraten ergeben:
Die
Juli-Inflationsrate betrug 1,4%.
Die
August-Inflationsrate würde bei 1,2% notieren.
Die
September-Inflationsrate würde 1,0% anzeigen.
Die
Oktober-Inflationsrate würde auf 0,9% fallen.
Wir haben die Werte bis Oktober in die Inflationsgrafik eingearbeitet.
Schon einmal – im April 2013 – lag die PCE-Inflation unterhalb von ein
Prozent. Dies war einer der Gründe, warum Fed-Komitee-Mitglied James
Bullard in der Sitzung vom 21. Juni die Entscheidung für das Tapering
missbilligte. Die Fed hätte stärker am Inflationsziel von 2% festhalten
sollen, so Bullard damals.
Damit der Basiseffekt nicht auftritt, müssten die Preise im August und
September jeweils deutlich anziehen, getrieben durch steigende
Rohstoffpreise. Für einen solchen Vorgang fehlen aktuell wichtige Signale.
Der Ölpreis scheint lediglich einen kurzfristigen
„Syrien-Interventions-Spike“ vollzogen zu haben.
Interessanterweise wird die August-Inflationsrate (CPI) am 17.09.2013
bekannt gegeben. Einen Tag später (18.09.) findet die Sitzung der
US-Zentralbank statt. Würde die Reduzierung der quantitativen Lockerung
auf der September-Sitzung tatsächlich konkret beschlossen werden, dürfte
zumindest James Bullard damit ein Problem haben.
In unserem Szenario berücksichtigten wir jeweils einen leichten
Inflationsanstieg gegenüber dem Vormonat. Was aber wäre, wenn dieser gar
nicht einträte? Die PCI-Inflation fiel beispielsweise gegenüber dem
Vormonat jeweils im März und April 2013. Würde die PCE-Inflation im
August, September und Oktober gegenüber dem Vormonat jeweils um 0,1%
niedriger notieren, so würde die Oktober-PCI-Inflationsrate bei 0,3%
liegen.
Fazit: Die offiziellen US-Inflationsraten fallen in den kommenden drei
Monaten, wenn nicht das „Wunder“ stark steigender Rohstoffpreise einsetzt.
Die Federal-Reserve wird dies in ihrem Abwägungs- und Entscheidungsprozess
im Hinblick auf die Sitzungen am 18.09. und 18.12. berücksichtigen
müssen. Die geringe Inflationsrate dürfte es der Federal Reserve schwer
machen, den Tapering-Prozess tatsächlich durchzuziehen.
Ben Bernanke tritt im kommenden Januar ab. Was auch immer er als Erbe
hinterlässt, eines hat Helikopter-Ben nicht geschafft: Das
Deflationsgespenst zu besiegen. Und das, obwohl er ein eifriger Student
der Zeit der Großen Depression war und ist.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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