Wellenreiter-Kolumne vom 12. September 2013
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf
Unsere Lokalzeitung berichtete vor kurzem über eine Veranstaltung in der
Aula des hiesigen Gymnasiums namens „Fair Future II“. Darin fand sich ein
Foto, das offenbar eine Vertreterin der Organisation Oxfam zeigt. Die
Repräsentantin von Oxfam spielte laut Bildunterschrift „mit den Schülern
durch, wie Preise für Getreide künstlich in die Höhe getrieben werden“.
Der Artikel ist hier nachzulesen
http://tinyurl.com/ooyl5qj
Ich weiß nicht mehr hundertprozentig, ob Greenpeace Ende der 1970er/
Anfang der 1980er Jahre in der Oberstufe meiner damaligen Schule zu Besuch
war. Die Diskussionen auf dem Schulhof und im Klassenzimmer waren lebhaft:
Brokdorf, Friedensdemos, Nato-Doppelbeschluss, Sitzblockaden. Die
Bevölkerung war politisiert und polarisiert. Die Beteiligung an
politischen Wahlen erreichte ihren Höchststand.
Man kann darüber streiten, ob Atomkraft richtig oder falsch ist. Man kann
das EEG-Gesetz kritisieren oder mögen. Man kann den Euro beibehalten oder
abschaffen. All dies wird oder wurde durch die gesellschaftliche und
politische Willensbildung entschieden.
Wenn jedoch ein falscher Glaube verbreitet wird, dann wird es gefährlich.
Dagegen hilft nur die sachliche Aufklärung.
Der Handel mit Nahrungsmitteln wird mit Hilfe von Warentermingeschäften an
Warenterminbörsen durchgeführt. Damit erhält der Erzeuger die Sicherheit,
dass ihm seine Ware an einem fixierten Tag in der Zukunft zu einem
bestimmten Preis X von der Gegenpartei abgenommen wird. Es entsteht ein
„Kontrakt“, ein Vertrag. Käufer und Verkäufer sind an diesen Vertag
gebunden. Kontrakte können weiterverkauft bzw. gehandelt werden.
„Intellektuell sollte doch jeder halbwegs gebildete Zeitgenosse schnell
begreifen, dass es sich bei Warentermingeschäften um ein Null-Summenspiel
handelt. Jedem Spekulanten, der auf steigende Preise wettet, muss ein
Spekulant gegenüber stehen, der auf fallende Preise wettet. In der Summe
hebt sich das auf und kann die Preise folglich nicht nach oben treiben“. Dies
schrieb mir ein Abonnent per E-Mail.
Die Preise für die meisten Nahrungsmittel haben in den vergangenen Dekaden
einige Höhen und Tiefen erlebt. Ein nachhaltiger Anstieg ergab sich jedoch
nicht. Betrachten wir den Preis des Kaffee-Futures an der New Yorker
Börse. Der Langfristchart zeigt, dass der Preis für einen Kaffee-Kontrakt
zwischen 50 und 300 US-Cents pro Pfund schwankt.
Der Blick auf den obigen Chart genügt, um zu erkennen, dass der
Kaffeepreis seit 40 Jahren seitwärts geht (Inflation noch nicht einmal
berücksichtigt). Die Spitzen dürften der verzögerten Reaktion auf Angebot
und Nachfrage zu verdanken sein (der so genannte „Schweinezyklus“). Steigt
der Preis, wird mehr Fläche bewirtschaftet. Dieses mehr an Fläche führt an
einem Punkt X zu einem Angebotsüberhang, der die Preise fallen lässt. Die
Preise fallen so lange, bis die Knappheit wieder hergestellt ist.
Letztendlich ist dieser Zyklus Jahrtausende alt (er galt schon bei den
Sumerern oder im alten Ägypten).
Der Preis für Baumwolle bewegt sich seit 40 Jahren wie folgt (nicht
inflationsbereinigt):
Bereinigt man den Preis für Baumwolle um die US-Inflationsrate, so
erhalten wir den folgenden Verlauf des Baumwollpreises seit 1800.
Der inflationsbereinigte Preis für Baumwolle fällt seit 60 Jahren.
Der Anstieg des Weizenpreises aus dem Jahr 2008 wurde noch nicht auf das
Niveau von vor 2008 zurückgehandelt (nächster Chart). Dennoch fiel der
Preis in den vergangenen Monaten deutlich.
Inflationsbereinigt fiel der Weizenpreis in den vergangenen Dekaden durch
eine erhebliche Preisreduktion auf (nächster Chart).
Fazit: An den Warenterminbörsen steht ein Spekulant einem Gegenspekulant
gegenüber. Der eine setzt auf steigende, der andere auf fallende Kurse. Es
ist ein „Nullsummenspiel“. Die Preise für Nahrungsmittel wie Zucker,
Kaffee, Kakao, Orangensaft, Baumwolle und – mit Abstrichen - Weizen, Mais
und Sojabohnen laufen seit mindestens 40 Jahren seitwärts.
Inflationsbereinigt befinden sich alle genannten Nahrungsmittelpreise in
einem längerfristigen Abwärtstrend.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass einige Leser die Quintessenz dieser
Zeilen zwar wahrnehmen, aber nicht bereit sind, sie zu akzeptieren. Weil
nicht sein kann, was nicht sein darf.
Andererseits: Klarer kann man es kaum zeigen und beschreiben.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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