Wellenreiter-Kolumne vom 30. September 2013
Wie endet ein Bärenmarkt?
Nichts fürchtet der deutsche Anleger so sehr wie Inflation. Dies ist nicht
nur der Eindruck im privaten Kreis, sondern wird durch Umfragen bestätigt,
z.B. hier
http://tinyurl.com/nafkj8p
Man kann mit gutem Recht der Meinung sein, dass die offizielle Statistik
die tatsächliche Inflationsrate untertreibt. Die nachfolgend dargestellten
harmonisierten Inflationsraten (HVPI) mögen in Ihrer Höhe inkorrekt sein.
Aber der Trend – und darauf kommt es uns an – geht bergab.
Es sieht so aus, als ob die Staaten der europäischen Peripherie zum
zweiten Mal innerhalb von fünf Jahren in eine Periode der Deflation
rutschen. Griechenland weist im September eine Inflationsrate (HVPI) von
-1,0% auf. Seit März 2013 befindet sich die offizielle Inflationsrate im
Minus. Noch Mitte der 1990er Jahre betrug die offizielle Inflationsrate
Griechenlands 8 Prozent. Die aktuelle September-Zahl weist für Spanien
eine Inflationsrate von 0,5% auf (nach 1,6% im August). Auch Portugal
(+0,2%) und Irland (0,0%) schlagen den Weg in Richtung Deflation ein.
Schauen wir uns noch ein wenig weiter in Europa um. Polens Inflationsrate
war noch im im Jahr 2000 zweistellig. Jetzt beträgt sie 0,9%. Die
skandinavischen Staaten Schweden und Dänemark weisen Inflationsraten von
0,8% bzw. 0,1% auf. Zypern legt mit einer Inflationsrate von 0,1% eine
Vollbremsung hin. Noch vor einem Jahr betrug die Teuerung des finanziell
bankrotten EU-Landes 4,5%.
Der Trend in Richtung Deflation setzt sich fort, wenn man über den großen
Teich schaut. In Kanada beträgt die Inflationsrate 1,1%. Aufgrund des
Basiseffekts dürfte die US-Inflationsrate von 1,5% im August auf 1,1% im
September fallen.
Ein Anstieg der Inflationsrate wird umso unwahrscheinlicher, je länger der
Ölpreis lediglich in einer Handelsspanne verbleibt oder fällt. Der
US-Benzinpreisfuture befindet sich seit zwei Jahren in einer
Handelsspanne. Würde diese nach unten verlassen werden, so würde sich dies
negativ auf die Inflationsrate auswirken.
Wie wirkt sich eine fallende Inflationsrate auf die Aktienmärkte aus? Wir
wissen, dass eine sich um die 2-Prozent-Marke bewegende Inflationsrate ein
Wohlfühlklima für Aktienmärkte schafft. In solchen Zeiten kann sich das
KGV gefahrlos ausdehnen. Mit anderen Worten: Die Märkte steigen auch ohne
einen Anstieg der Unternehmensgewinne. Inflationsraten von 3% oder mehr
begünstigen genauso eine KGV-Schrumpfung wie eine Phase negativer
Inflationsraten (= Deflation).
Der aktuelle Bär tobt - in den entwickelten Ländern - seit mehr als 13
Jahren. Frühere Bärenmärkte (blaue Kästchen folgender Chart) endeten
nicht, bevor es zu einer großen Bewegung von Inflation zu Deflation
innerhalb eines kurzes Zeitraum kam (rote Pfeile folgender Chart).
Manche Beobachter nehmen an, dass diese große Bewegung bereits im Jahr
2008 stattgefunden hat. Die damalige Amplitude betrug 7 Prozent (von 5%
Inflation auf 2% Deflation). Wenn dem so wäre, dann wäre der Weg in einen
neuen Bullenmarkt frei.
Andererseits sollte man sich vergegenwärtigen, dass der Dow Jones Index
weder zu Beginn der 1920er noch Ende der 1940er noch zu Beginn der 1980er
Jahre einfach so in einen Bullenmarkt überging. Vielmehr erforderte der
Ausbruch aus der langjährigen Handelsspanne Zeit. Es erscheint uns wenig
wahrscheinlich, dass die bereits viereinhalb Jahre andauernde
Aufwärtsbewegung sich einfach so fortsetzt. Vielmehr sollte man eine
Periode erwarten, die über einen längeren Zeitraum von scheiternden
Ausbruchsversuchen auf der Oberseite geprägt ist. In einer solchen Periode
verfügt ein deflatorischer Impuls, der mit einer Rezession einhergeht und
die Geburtswehen eines neuen Bullenmarktes darstellt, über eine gewisse
Wahrscheinlichkeit.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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