Wellenreiter-Kolumne vom 22. November 2013
Sieben Hindenburg-Omen
Man kann darüber diskutieren, ob am Mittwoch ein Hindenburg-Omen ausgelöst
wurde. Dabei ging es knapp zu. Das Wall Street Journal verzeichnete am
Mittwoch 69 neue 52-Wochen-Tiefs an der NYSE, andere Daten-Provider
erfassten 70 neue Tiefs. Bei 70 neuen Tiefs wäre ein Hindenburg-Omen
aufgetreten, bei 69 nicht. Wir haben das Omen auf dem folgenden Chart
eingezeichnet. Selbst wenn wir es werten, so verleiht doch erst das
Auftreten mehrerer Omen innerhalb eines kurzen Zeitraums eine gewisse
Validität.
Das Hindenburg-Omen hat in diesem Jahr recht gut funktioniert. Nicht im
Bezug auf die Vorhersage einer starken Abwärtsbewegung, aber doch in dem
Sinne, dass nach mehreren Hindenburg-Omen hintereinander eine Korrektur
folgte (im Juni und im August).
Die traditionelle Definition eines Hindenburg Omens umfasst vier
Kriterien:
1. Die tägliche Zahl der neuen 52-Wochen-Hochs und der neuen
52-Wochen-Tiefs an der NYSE müssen sich beide oberhalb von 2,2% der an dem
Tag an der NYSE gehandelten Werte befinden.
2. Der NYSE 10-Wochen-GD (50-Tage-GD) steigt.
3. Der McClellan Oszillator ist an diesem Tag negativ.
4. Die Zahl der neuen 52-Wochen-Hochs darf nicht mehr als zweimal so groß
sein wie die Zahl der neuen 52-Wochen-Tiefs. Umgekehrt ist es in Ordnung.
Warum wird eine auf dem ersten Blick unverständliche Kombination von
Faktoren gewählt, um Signale für ein Markthoch herauszufiltern? Wenn die
Zahl der neuen Hochs und die Zahl der neuen Tiefs sich gleichzeitig auf
einem recht hohen Niveau befindet, bedeutet dies entweder „Distribution“
oder „Rotation“. Viele Aktien steigen noch, während andere Werte bereits
im Niedergang begriffen sind. Die zweite Bedingung („NYSE 10-Wochen-GD
steigt“) soll sicherstellen, dass eine solche Phase nur nach einer
vorhergehenden Aufwärtsphase erfasst wird. Die dritte Bedingung
(„McClellan-Oszillator negativ“) ist ebenfalls ein Distributionsmerkmal.
Wenn der Oszillator negativ ist, bedeutet dies, dass die Marktbreite
nachlässt und die Zahl der fallenden Aktien an jenem Tag die Oberhand über
die Zahl der steigenden Aktien gewonnen hat. Die vierte Bedingung versucht
sicherzustellen, dass das Omen nur dann auftritt, wenn die Distribution
gleichmäßig geschieht.
Das Auftreten aller vier Kriterien an einem Tag wird häufig als
unbestätigtes Signal bezeichnet. Ein Hindenburg-Omen gilt dann als
bestätigt, wenn es innerhalb von 36 Tagen ein zweites Mal auftritt. Häufig
wird noch als fünfte Bedingung genannt, dass die kleinere der beiden
Zahlen (neue 52-Wochen-Hochs und Tiefs) größer als 79 sein muss. Wir
halten diese Bedingung für nicht korrekt, da sich ansonsten in den 60er
und 70er Jahren keine Signale ergeben hätten.
Es kommt vor, dass das Hindenburg-Omen in der Unterscheidung von
„Distribution“ und „Rotation“ versagt. Es kann beispielsweise sein, dass
Nebenwerte ihren Anstieg pausieren, während Standardaktien relative Stärke
zeigen. Parallel könnte eine Rotation von offensive in defensive Titel
stattfinden. Rotieren die Aktien lediglich, dann tritt eine
vergleichsweise kurze Korrekturphase auf, gefolgt von der Fortsetzung der
Aufwärtsbewegung. Die durch das Hindenburg-Omen angezeigten Korrekturen im
Juni und August 2013 lassen sich der Kategorie Rotation zuordnen.
Distribution hingegen lässt sich als gezielten Übergang der Aktien von
starke in schwache Hände beschreiben. Eine Aufwärtsbewegung wird
schwächer, geht in eine Top-Bildungsphase über und führt schließlich zu
einer Abwärtsbewegung, die mehr ist als eine Korrektur.
Man denke an die sieben Hindenburg-Omen, die zwischen dem 3. und 13.
Dezember 1999 an sieben Handelstagen hintereinander auftraten (siehe Pfeil
folgender Chart).
Auch im Vorfeld der Rezession von 2007 bis 2009 traten sieben
Hindenburg-Omen innerhalb einer kurzen Periode auf (13.06. bis 24.07.;
siehe Pfeil folgender Chart).
Ein Blick in die Geschichte der Zahlensymbolik zeigt, dass die Zahl 7 eine
Sonderstellung hat („Sieben Weltwunder“; „Sieben Zwerge“). Fragt man
beliebige Personen nach einer Lieblingszahl zwischen 1 und 9, liegt - laut
Wikipedia - die Zahl 7 vorn.
Warten wir also ab, ob weitere Hindenburg-Omen auftreten.
Das wohl berühmteste und am meisten zitierte Beispiel für das rechtzeitige
Auftreten des Hindenburg-Omens betrifft den Crash von 1987. Damals
reichten drei Signale, die zwischen dem 24. September und 6. Oktober 1987
generiert wurden (blauer Pfeil nächster Chart).
Die Saisonalität gibt eine Entwicklung wie 1987 nicht her. Die drei Monate
November, Dezember und Januar stellen die stärkste Dreimonatsperiode des
Aktienmarktes dar. Vorstellbar ist allerdings, dass sich im Verlauf der
kommenden Wochen bis in den Januar hinein immer mal wieder ein
Hindenburg-Omen ergibt. Solche Omen würden zu erkennen geben, dass die
Märkte mindestens rotieren, wenn nicht sogar distribuieren.
Sollten dann mehrere Omen aufgetreten sein und die Marktbreite sich immer
schwächer zeigen, dann könnte eine Phase der Top-Bildung abgeschlossen
sein. Entscheidend ist nicht die Zahl 7. Wichtig ist die Feststellung,
dass der Auftritt einer ganzen Reihe von Omen im Rahmen eines engen
Zeitclusters ein deutliches Warnsignal für die Märkte ist. Wenn’s dann
wirklich erneut sieben sind, würden wir diese Parallelität mit einem Heben
der Augenbraue a la Mr. Spock quittieren.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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