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Das Ende des zweiten Öl-Fracking-Booms
Der US-Öl-Boom scheint ins Stocken zu geraten. Diverse Medien berichteten in den vergangenen Tagen von einem Nachlassen der US-Förderleistung. Die offiziellen Daten der US-Energieagentur EIA legen einen oberen Wendepunkt bei etwas über 12 Mio. Barrel pro Tag nahe. Im Juli wurden 11,8 Mio. Barrel pro Tag gefördert.
Der US-Öl-Boom der vergangenen 10 Jahre war einer Technologie geschuldet, mit deren Hilfe Wasser und Zusätze in tiefere Bodenschichten gepresst werden. Das Wasser drückt das Öl aus geologischen Formationen heraus, die mit Hilfe konventioneller Methoden nicht mehr zu erschließen sind. Wie sehr das Fracking die US-Öl-Förderung aufgeputscht hatte, ist auf dem folgenden Langfristchart zu erkennen. Lange galten die 1970er Jahre als das goldene Ölzeitalter der USA.
Der Rückgang vom Juli 2019 hing mit einem tropischen Sturm im Golf von Mexiko zusammen, viele Ölplattformen waren geschlossen. Dennoch lässt auch in Texas die Dynamik nach, dort stagnierte die Förderleistung in den vergangenen Wochen. Der Fracking-Boom scheint einen zweiten Höhepunkt überschreiten zu wollen. Die zweite Boom-Phase (2016-2018) dürfte aus den gleichen Gründen enden wie die erste (2012-2014): Hohe Preise ermutigen Investments und führen zur Überproduktion. Die Folge ist einer Sättigung an den Weltmärkten, was die Preise fallen lässt. Der Schweinezyklus ist in vollem Gange.
Der Preisverfall sorgt für eine fallende Ölproduktion. Der folgende Chart zeigt, dass der Preis der Produktion um etwa ein Jahr vorausläuft. Dargestellt ist jeweils die prozentuale Veränderung von WTI-Crude-Preis und US-Öl-Produktion zum Vorjahresmonat, wobei die Ölpreisveränderung ein Jahr vorauslaufend eingezeichnet ist.
In der Vergangenheit bedeutete eine Veränderungsrate von minus 50 Prozent häufig ein Tief im Ölpreis und auch ein Tief in der Ölproduktion. Zuletzt war dies Anfang 2016 der Fall. Ein WTI-Crude-Preis von etwa 34 US-Dollar wäre nötig, um die Veränderungsrate aktuell auf minus 50 Prozent zu drücken. Aktuell beträgt sie minus 27 Prozent. Wir erinnern uns an den Preisverfall 2015/16, als viele Ölexplorer-Unternehmen und ihre Zulieferer in Schwierigkeiten gerieten beziehungsweise liquidiert wurden.
Der S&P 500-Energiesektor fiel in den vergangenen Wochen. Er notiert als einziger Sektor auf Kalenderjahresbasis im Minusbereich.
Die BofA/ML-Fondsmanagerumfrage aus dem September zeigt, dass sich die Vermögensverwalter aus dem Energiesektor zurückziehen.
Die aktuelle Untergewichtung beträgt -17 Prozent. Der Tiefpunkt von Anfang 2016 wurde bei einer Untergewichtung von -35 Prozent erzielt.
Charttechnisch pikant ist die Situation dadurch, dass der Preis von WTI Crude auf seinem 4-Jahres-GD sitzt (1.000 Tage, dunkelblaue Linie folgender Chart).
Ein Bruch dieser Linie würde ein Retest des Tiefs vom Dezember 2018 (42,30 US-Dollar) bedeuten.
Die Auswirkungen auf den Aktienmarkt ergeben sich über die positive Korrelation des Ölpreises zum S&P 500.
Ein fallender Ölpreis würde höchstwahrscheinlich mit einem fallenden S&P 500 einhergehen.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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