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Pandemien im Oktober
Bei der Betrachtung von Chartverläufen zu Pandemien fällt die saisonale Struktur auf.
Beispiel „Spanische Grippe“: Einem deutlichen Anstieg der Sterbefälle im Oktober/ November 1918 (Pfeil) folgt ein Abflauen, gefolgt von einer weiteren Welle im Februar/März 1919.
Die zweitgrößte Influenza-Pandemie des vergangenen Jahrhunderts fand in den Jahren 1957/58 statt. Auch hier liegt uns eine Verlaufskurve vor, und auch hier verzeichnen die Monate Oktober/November und Februar/März hohe Werte.
Wir stellen die Verlaufskurven von 1918/19 und 1957/58 im obigen Chart gemeinsam dar. Hochpunkte liegen Ende Oktober/Anfang November und Ende Februar/Anfang März.
Politisch wäre ein Pandemieverlauf wie 1918 oder 1957 für Donald Trump ein Desaster, weil der Höhepunkt der Welle pünktlich zur US-Präsidentschaftswahl am 3. November erfolgen würde. Joe Biden würde profitieren.
Die Beschäftigung mit saisonalen Verläufen entspricht der „DNA“ des Wellenreiters. Die Namenswahl „Wellenreiter-Invest“ im Jahr 2002 war von der Überzeugung geprägt, dass gesellschaftliche, politische, emotionale sowie finanztechnische Wellenmuster erkannt und genutzt werden können. Die Frage stellt sich, ob diese Verlaufskurven auf das aktuelle Covid-19-Geschehen übertragbar sind. Es geht mir nicht um die Höhe der Sterbe- oder Fallzahlen, sondern einzig um die saisonale Entwicklung. Der Übergang vom Sommer zum Herbst und die damit verbundene Verlagerung der Aktivitäten in die Innenräume dürfte derartige Kurven begünstigen. Zumal nicht klar ist, ob Großbritannien (folgender Chart) oder andere Länder ihren Herbstpeak bereits erreicht haben. Der Aufwärtstrend erscheint intakt.
Die zweite Welle im Februar/März könnte durch zur Verfügung stehende Impfstoffe abgemildert werden. Für eine Oktober-Welle kämen diese zu spät.
Letztendlich ist dies ein Gedankengang, es muss nicht so kommen. In den Jahren 1918 und 1957 waren weitreichende Maßnahmen zur Reduzierung der Ansteckungsrate nicht so ausgeprägt wie aktuell in Kraft. Im November 1918 endete der erste Weltkrieg. Die zehrende Zeit trug ihren Teil zur Erhöhung der Influenza-Sterbefälle bei. Andererseits erscheint ein Oktober-Anstieg mit den beginnenden kühleren Tagen plausibel.
Mit dem heutigen Tag beginnt der Monat Oktober. Wir werden recht schnell erkennen können, ob die Fallzahlen den Oktober-Pfad aufnehmen oder von ihm abweichen. Steigende Covid-19-Zahlen würden wirtschaftlich Spuren hinterlassen, an den Aktienmärkten würde wohl nochmals ein Risk-off-Prozess einsetzen.
Würden die Fallzahlen auf den Oktober-Pfad einschwenken, sollte ein Blick auf das Verhalten der Märkte im Jahr 1957 helfen. Die damalige US-Rezession dauerte vom August 1957 bis zum April 1958. Die Industrieproduktion brach mit einem Rückgang von 12,3 Prozent (siehe Pfeil) so deutlich ein wie in der Ölkrise 1974.
Es war der viertstärkste Rückgang der vergangenen 70 Jahre. Die Arbeitslosenquote stieg von 4,0 auf 7,5 Prozent. Die Autoverkäufe fielen von 8 Mio. Einheiten im Jahr 1955 auf 4,3 Mio. Einheiten im Jahr 1958.
Folgerichtig fabrizierte der Dow Jones Index eine 20-Prozent-Korrektur. Diese begann Mitte Juli 1957 und endete am 22. Oktober 1957. Ein weiteres Tief wurde am 17. Dezember registriert. Die Herbst-/Winter-Erholung war zäh. Erst ab April 1958 liefen die Märkte nach oben. Der folgende Verlaufsvergleich stellt das damalige Verlaufsmuster dem heutigen gegenüber.
Eine 13%-Korrektur würde den S&P 500 auf seine 200-Tage-Linie zurückführen. Eine 20%-Korrektur würde ihn auf Marke von 2.900 Punkten fallen lassen.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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