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Die Baby-Boomer sagen Tschüss
Das Hauptargument gegen die Inflation ist die Erwartung, dass Löhne und Gehälter weiterhin stabil bleiben werden. Diese Perspektive könnte sich als Irrtum erweisen.
Die vergangenen 40 Jahre waren von mäßigen Inflationsraten geprägt. Als Gründe werden die Globalisierung und die Verlagerung der Produktionsstätten in Billiglohnländer genannt. Auch die Effizienzsteigerung im Transportwesen beispielsweise durch größere Schiffe und die Schaffung nahtloser Lieferketten leistete ihren Beitrag, genauso wie der langjährige Bärenmarkt der Rohstoffe.
Mehr Ältere
Die Generation der Baby Boomer verlässt den Arbeitsmarkt. Im Laufe der nächsten 12 Jahre wird der sogenannte Altersabhängigkeits-Quotient in Deutschland von 33 auf 50 Prozent steigen. Der Arbeitskräftemangel wird dazu führen, dass sich die jüngeren ihre Arbeit von den Älteren bezahlen lassen werden.
Schweden und Deutschland verfügen aufgrund der Migration über einen geringeren Quotienten als Japan, Italien oder Spanien. In den USA steigt die Altersabhängigkeit bereits seit dem Jahr 2010, weil die Babyboomer-Generation derjenigen in Deutschland einige Jahre vorauslief. Insgesamt ist der US-Anstieg dennoch verhaltener, weil Geburtenraten und Migration den Winkel abflachen.
Die Verläufe stammen aus dem Jahr 2019. Sie wurden vor der Corona-Pandemie erstellt. Angesichts der Pandemie-Übersterblichkeiten dürfte in Ländern wie Italien und Spanien die tatsächliche Altersabhängigkeit geringer sein als dargestellt.
Die Gruppierung preiswerter asiatischer Lohnarbeiter steigt nur noch wenig. In China wird die Altersabhängigkeit in den kommenden Jahren steigen und bis zum Jahr 2040 die Werte der USA und Schweden erreichen. Die chinesischen Löhne sollten weiter steigen und ihren Beitrag zum Anstieg der globalen Inflation leisten.
Man könnte argumentieren, dass Japan bisher trotz steigender Altersabhängigkeit stur die Deflationswelle geritten hat. Aber es wäre falsch, Japan isoliert zu betrachten. Denn auch Japan profitiert bisher von asiatischen Billiglöhnen.
Hinzu kommt der jüngst starke US-Stellenaufbau. Im März wurden 916.000 neue Stellen geschaffen. Einerseits spielt der Nachholeffekt eine Rolle. Auch in den kommenden Monaten dürften gerade im Reise-/Freizeit-Sektor viele Stellen wieder besetzt werden. Auf der anderen Seite ist die Vorstellung, dass die Infrastruktur von Robotern gewartet werden kann, abwegig. Von 231.000 US-Brücken sind ein Drittel reparaturbedürftig. Diese Arbeit werden sich die US-Straßenbaufirmen gemäß Nachfrage bezahlen lassen.
Beschäftigung steigt
Der ISM-Beschäftigungsindex (Industrie) stieg im März auf 59,6 Punkte. Die Nachfrage nach Arbeitskräften steigt so stark wie zuletzt im Jahr 2018 und davor im Jahr 2011.
Laut ISM-Institut lassen die verstärkten Auftragseingänge, der geringe Lagerbestand der Kunden sowie der hohe Auftragsbestand einen weiteren Beschäftigungsaufbau in der Industrie in den kommenden drei Monaten erwarten. In Kombination mit den Jobs, die im Dienstleistungsbereich wieder ausgefüllt werden, könnte sich US-Arbeitsmarktsituation schnell verschärfen.
Ob Digitalisierung und künstliche Intelligenz den Arbeitskräftebedarf so vermindern können, dass am Arbeitsmarkt keine Lücken entstehen, erscheint mir zumindest fragwürdig. In einigen Bereichen mag es funktionieren. In der Schaffung und Unterhaltung von Infrastruktur und im verarbeitenden Gewerbe wird es immer eine Nachfrage nach Arbeitskräften geben, genauso wie im Dienstleistungssektor (Hotellerie, Gastronomie). Die neue Tesla-Fabrik bei Berlin soll 12.000 Menschen beschäftigen, perspektivisch sogar 40.000.
Fazit: Der Arbeitsmarkt wird von einer kurz- und einer längerfristigen Entwicklung getrieben. Einerseits baut die starke wirtschaftliche Erholung in Kombination mit staatlichen Unterstützungsmaßnahmen die pandemiebedingte Arbeitslosigkeit ab, beginnend mit den USA und weiterführend auch in Europa. Andererseits nimmt die Altersabhängigkeit in den kommenden Jahren zu, weil die Baby Boomer-Generation in den Ruhestand geht. Beide Prozesse wirken inflationsbeschleunigend.
Dies ist eingebettet in einen neuen Rohstoff-Aufwärtszyklus. Aber das ist ein anderes Thema.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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