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Weitere fünf Jahre Expansion?
Die Strategen von Goldman Sachs verkündeten Anfang September, dass sich der US-Konjunkturzyklus in einer frühen bis mittleren Phase befindet. Wegen des „Slacks“ in der Wirtschaft würde die Expansionsphase noch lange andauern. Ins gleiche Horn bliesen vor einigen Tagen die Analysten von Morgan Stanley. Sie schrieben die Dauer der Expansion auf weitere fünf Jahre „fest“ (bis 2019) und nannten ein Kursziel von 3.000 Punkten im S&P 500 für die Endphase dieses Konjunkturzyklus.
Nicht zuletzt sieht David Bianco, Analyst der Deutschen Bank, jetzt „eine lang anhaltende konjunkturelle Expansion gemäßigten Wachstums für die USA voraus, die den bisherigen US-Rekord von 10 Jahren Dauer angreifen sollte“. Bianco hatte bisher ein Kursziel von 1.850 Punkten im S&P 500 (=Jahresschlusskurs 2013). Er erhöhte es auf 2.050 Punkte.
Wie kommen Analysten dazu, nach einer bereits fünf Jahre anhaltenden Expansionsphase weitere fünf Jahre Expansion zu erwarten? Es sind sehr bullishe, sehr mutige Aussagen. Solche Aussagen werden üblicherweise nicht am Beginn einer Expansion getätigt. Auch nicht in der Mitte. Sondern eher am Ende.
Laut Goldman Sachs endete ein Aufschwung in den USA nach dem zweiten Weltkrieg entweder, weil die US-Zentralbank die Zügel wegen einer Überhitzung der Wirtschaft und damit verbundener steigender Inflationsraten anzog, oder weil platzende Blasen (Hausbau, Internet) die Wirtschaft zu Fall brachten. In der heutigen „Niedrig-Inflations-Welt“ seien platzende Blasen der Grund für die beiden letzten Rezessionen gewesen, so Goldman Sachs.
Dabei wird offenbar das dritte Modell vergessen. Die Nullzinspolitik hat ein historisches Vorbild in der Periode der 1940er bis zum Beginn der 1950er Jahre. Damals notierten die Renditen auf einem ähnlich niedrigen Niveau wie aktuell. Damals übte die US-Zentral-bank die Zinskontrolle mittels Verbalinterventionen aus.
Nachfolgend sind Inflationsrate und Rendite für den Zeitraum 1946 bis 1954 abgetragen. Zusätzlich bezeichnen zwei Pfeile jeweils den Beginn einer US-Rezession. Eine Rezession begann im November 1948 (erster Pfeil), eine zweite im Juli 1953 (zweiter Pfeil).
Es ist interessant zu erkennen, dass die Renditen zu Rezessionsbeginn jeweils ein Top auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau ausbildeten. Im November 1948 lag die Rendite 30jähriger US-Staatsanleihen bei 2,6%, im Juli 1953 bei 3,4%. Die Rendite – nicht die Inflationsrate – bezeichnete das Ende der Expansion.
Wir lernen daraus, dass – unter den Gegebenheiten der Nullzinspolitik- schon ein leichter Anstieg der Renditen ausreichen kann, um eine Expansion zu Fall zu bringen. Wer also meint, es müsse entweder erst eine Blase entstehen und/oder die Inflationsrate müsse durch die Decke gehen, bevor eine Expansion endet, der dürfte falsch liegen.
Aktuell scheint die Rendite sich auf dem Weg nach oben machen zu wollen. Die 30jährige Rendite stieg seit Ende August von 3,07 auf 3,26 Prozent. Dieser Anstieg ist noch zu gering, um abzuschätzen, ob sich daraus eine kräftigere Gegenbewegung entwickeln kann. Unter den aktuellen Bedingungen könnte ein verhältnismäßig geringer Anstieg ausreichen, um die US-Expansion enden zu lassen.
Gegen eine zehn Jahre dauernde Expansion spricht allein schon die Statistik. Eine Phase der Expansion von 2009 bis 2019 würde die bisher längste rezessionsfreie Phase (März 1991 bis März 2001) herausfordern (siehe Doppelpfeil folgender Chart).
Seit der Gründung der USA im Jahr im Jahr 1776 wurde in jeder Dekade mindestens eine Rezession gezählt. Eine Rezessionsfreiheit bis 2019 würde diesem Gesetz der Serie ein Ende bereiten.
Zudem kam es nach einem harten konjunkturellen Einschlag - wie derjenige von 2007/08 („Great Recession“) einer war - in keinem Fall zu einer zehnjährigen Expansionsphase. Nicht nach der großen Depression von 1929 bis 1933, als nach vier Jahren eine neue Rezession begann. Und auch nicht nach der so genannten „Long Depression“, als bereits drei Jahre später die nächste Rezession folgte. Die „Long Depression“ (1873 bis 1879) war mit fünf Jahren Dauer die längste Rezession/Depression in der Geschichte der USA.
Nach dem zweiten Weltkrieg beträgt die Durchschnittsdauer einer US-Expansion vier Jahre und neun Monate. Die Dauer der aktuellen Expansionsphase beträgt bereits fünf Jahre und drei Monate (seit dem Juni 2009).
Fazit: Der Glaube an lange expansive Zyklen ist zurück. In den Jahren 2009 bis 2012 hieß es, man könne nur auf Sicht fahren. Aktien für die längere Frist zu kaufen, sei viel zu risikant. Jetzt heißt es, freie Sicht bis 2019. Selbst wenn man der Meinung ist, dass die aktuelle Dekade ihren positiven Impuls insgesamt aufrecht erhalten kann, so dürften sich zwischendurch Bremsspuren ergeben. Märkte müssen nicht inflationär überhitzen und sie müssen auch keine Blasen ausbilden. Ein leichter Zinsanstieg reicht als Auslöser einer Rezession aus.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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