Sie sind hier
Tech als Stolperstein
In den vergangenen Jahren trat im Computer-Markt eine Sättigung ein. Seit dem Jahr 2012 fallen die PC-Verkäufe auf weltweiter Basis. Wurden im Jahr 2011 circa 370 Mio. PCs verkauft, so dürfte es im Jahr 2015 etwa 275 Mio. sein. Diese Zahl ergibt sich aus den schwachen Verkäufen im ersten und zweiten Quartal 2015.
Der Rückgang seit dem Jahr 2011 beträgt 25 Prozent. Die PC-Verkäufe befinden sich in einem Bärenmarktmodus.
Per Definition sind in diesen Verkäufen die traditionellen Endgeräte PC und Notebook enthalten. Man könnte anmerken, dass PCs und Notebooks sukzessive durch Tablets und Smartphones ersetzt werden. Aber auch der Tablet-Markt stagniert nach anfänglichen Erfolgen. Die Research-Firma IDC nimmt für 2015 eine Zunahme von nur 2 Prozent gegenüber dem Vorjahr an.
Bleibt der Smartphone-Markt. Im Jahr 2015 dürften 1,45 Milliarden dieser Geräte verkauft werden, ein Wachstum von 11,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 2014 hatte das Wachstum noch 25 Prozent betragen. Die Wachstums-Kurve flacht deutlich ab. Der zunehmend gesättigte chinesische Markt soll laut IDC lediglich um 2,5 Prozent zunehmen. Indien und Indonesien - Länder mit hohem Bevölkerungswachstum – gelten hingegen als Wachstumstreiber.
Ursprünglich plante Microsoft, den Support für das Betriebssystem Windows XP bereits Jahr 2011 wegfallen zu lassen. Zwar wurde die Frist bis zum endgültigen Ende des Supports im Jahr 2014 immer wieder verlängert, aber durch die frühe Ankündigung im Jahr 2009 entstand in den Jahren 2010 und 2011 Ersatzbedarf. Seither ist der Kaufdruck in der PC-Welt weggefallen. Weder Windows 8 noch das neue Windows 10 verlangen erhöhte Anforderungen an die Hardware.
Die Geräte werden länger benutzt. Die wichtigsten Komponenten eines PCs sind auf eine Haltbarkeit von 10 Jahren ausgelegt. Eine Firma, die sich im Rahmen des Upgrades auf Windows 7 im Jahr 2010 einen neuen Büro-PC zulegte, hat möglicherweise erst im Jahr 2020 Ersatzbedarf.
Der Nasdaq 100 Index befindet sich an einem wichtigen Hindernis, nämlich dem Allzeithoch aus dem Jahr 2000. Der Index vervierfachte sich innerhalb der vergangenen fünf Jahre.
Die IT-Branche macht 55 Prozent der Marktkapitalisierung des Nasdaq 100 aus. 42 der 100 Unternehmen - angeführt von Apple und Microsoft - subsummieren sich darunter.
Vor drei Jahren, als die PC-Verkäufe zu fallen begannen, kam der Abgesang auf die Techindustrie sicherlich zu früh. Das Tablet- und Smartphone-Geschäft befeuerte die Industrie weiter. Jetzt aber stellt sich diese Frage durchaus. Denn ein rückläufiger PC/Notebook-Markt, ein stagnierender Tablet-Verkauf sowie das Erreichen einer Sättigungsgrenze im Verkauf von Smartphones in China ergeben in der Kombination vergleichsweise schwierige Aussichten für die Technologie-Branche.
Der technologische Fortschritt stoppt nicht. Insbesondere mit dem Thema „Virtuelle Realität“ und Produkten wie der „Oculus Rift“ oder der „Microsoft HoloLens“ dürfte sich zusätzliche Geschäftsfelder auftun. Schon jetzt trainieren die Quarterbacks der US-American Football Liga NFL mit diesen Geräten, um sich Spielzüge einzuprägen und Reaktionen der gegnerischen Mannschaft zu antizipieren. In den kommenden Jahren dürften Oculus Rift und Co. auch bei den europäischen Top-Clubs Einzug halten. So ließen sich Standardsituationen wie Eckbälle und Freistöße in die Hirne der Fußballer eingravieren.
Denkbare weitere Möglichkeiten könnten das Proben einer Rede vor Publikum sein oder auch die Möglichkeit, sich virtuell durch sein zukünftiges Haus und sogar das Neubaugebiet zu bewegen. Die Grenzen für solche Anwendungen sind kaum ausgelotet.
Oder nehmen Sie die Apple Watch. In den vergangenen Jahren nahm der Trend zur Selbstmessung- und Selbstüberwachung an Fahrt auf. Ob von Firmeninteressen induziert oder von sport-, diät-, und gesundheitsaffinen Zeitgenossen gefordert, sei dahingestellt. Häufig ist es beides. Häufig beginnt ein Trend im Extrembereich (z.B. Überwachung der Werte im Leistungssport), bevor er sich verbreitert.
Kürzlich war zu lesen, dass eine US-Firma eine Keksdose erfunden hat, die sich erst dann – mittels Bluetooth-Technologie - öffnet, wenn eine Person eine bestimmte körperliche Leistung vollbracht hat, z.B. eine festgelegte Anzahl von Kalorien heruntertrainiert hat.
Mit ein wenig Fantasie kann man sich vieles vorstellen. Nehmen wir an, eine Person entscheidet, dass sie nur dann einen Burger bei McDonalds essen möchte, wenn sie ein bestimmtes sportliches Ziel erreicht hat. McDonalds kennt die Kundendaten über die App (Alter, Geschlecht, Gewicht, Adresse, Geschmacksrichtung etc). Nehmen wir weiter an, dass die betreffende Person weitere, mit der Apple Watch erhobene Daten wie die aktu-elle Herzfrequenz, den Blutdruck, die verbrauchten Kalorien und die Bewegungsintensität McDonalds zur Verfügung stellt.
Mit diesen Daten könnte das Unternehmen einen Burger herstellen, der die Kalorienvor-räte in Abhängigkeit von Daten, Geschmacksrichtung und einem Trainingsplan wieder auffüllt.
Auch wenn der Leser sarkastisch auflachen mag: Hier liegt für App-Entwickler, Startups und etablierte Unternehmen ein großes Feld brach, dass in den kommenden Jahren be-ackert werden dürfte. Viele ältere Leser dürften diesem Trend automatisch Orwell’sche Dimensionen zuordnen. Eine ganze Reihe jüngerer Leute sieht darin nichts Verwerfliches, sondern möchte sich das eigene Leben erleichtern. Sie möchten eine Balance zwischen körperlicher Betätigung und Belohnung finden. Warum selbst darauf achten, wenn ein Gerät das viel besser kann? Das muss nicht ausschließlich die Apple-Watch sein. Geräte werden miteinander konkurrieren.
Und es geht weiter. Der implantierte Chip ist bei Hunden, Katzen und Frettchen seit dem Jahr 2011 für grenzüberschreitende Reisen EU-weit vorgeschrieben.
http://www.tiermedizinportal.de/magazin/die-10-wichtigsten-informationen-zum-haustier-chip/151215
Lange bevor so etwas beim Menschen zur Vorschrift wird, dürfte sich der implantierte Chip auf freiwilliger Basis dann durchsetzen, wenn die Zahl der – aus Sicht der Nutzer - sinnvollen Anwendungen („Apps“) eine bestimmte Grenzschwelle überschreitet. Der Apple Chip dürfte die Apple Watch im Laufe der Zeit beerben.
Das mag noch einige Jahre dauern. Denn Apple war weder beim Smartphone noch bei der Uhr der Trendsetter. Apple reagiert erst dann mit einem Produkt, wenn die Firma sich sicher ist, dass eine Innovation an der Schwelle zur Akzeptanz bei den „hippen Innova-tionsbeschleunigern“ steht, sich also aus der Ursuppe bereits verabschiedet hat. Der Chip ist noch Ursuppe, die Uhr nicht mehr.
Die Frage ist allerdings, ob virtuelle Realität und der Hang zur Selbstmessung Rückgänge im traditionellen Geschäft kompensieren können. Man soll der Phantasie keine Grenzen setzen, aber zumindest für eine Übergangszeit dürfte eine Kompensation nicht gelingen.
Halbleiterhersteller liefern die Vorprodukte für Endbenutzergeräte. Wenn Firmen wie Apple oder Samsung merken, dass ihr Geschäft weniger gut läuft, reduzieren sie die Orders für die Vorkomponenten. Deshalb ist der Verlauf von Halbleiteraktien ein guter Frühindikator.
Der US-Halbleiterindex markierte sein Jahreshoch praktisch bereits im Februar. Der Ausbruch auf ein neues Hoch im Mai erwies sich als Fehlausbruch. Seit sechs Wochen fällt der Index. Der Verlust von Hoch beträgt 15 Prozent, die wichtige 200-Tage-Linie wurde unterschritten.
Hinzu kommt, dass der US-Halbleiter-Index für den S&P 500 in den Jahren 2000 und 2007 die Funktion eines vorauslaufenden Indikators besaß (siehe Pfeile folgender Chart).
Der Halbleiterindex bildete in den Phasen, in der der S&P 500 nochmals auf ein neues Hoch stieg, bereits jeweils ein niedrigeres Hoch aus.
Hat der US-Halbleiterindex tatsächlich am Anfang Juni 2015 sein Bullenmarkthoch markiert und behält der Index seine vorauslaufende Funktion, so würde dies für den S&P 500 ein Negativomen bedeuten. Ein Ende des Bullenmarktes des Halbleiter-Index scheint eingeläutet worden zu sein. Der S&P 500 reagiert in der Regel mit etwas Verspätung und ausgedehnter Top-Bildung.
Technologie und Innovation werden ohne Zweifel voranschreiten. Aber dieses Vorangehen unterliegt Zyklen. Schrumpfende PC-Märkte, stagnierende Tablet-Verkäufe sowie sich der Sättigungsgrenze annähernde Smartphone-Verkäufe lassen nicht genug Platz für eine Fortsetzung des ungestümen Anstiegs der Nasdaq- und Halbleiter-Werte. Bis sich die nächsten Technologien in Verkäufe umsetzen lassen, könnten die Tech-Werte daher „durchhängen“. Diese Vermutung wird von der Charttechnik unterstützt.
Dies würde eine Verschnaufpause für die Tech-Werte bedeuten. Wenn mit den Tech-Werten eine zentrale Unterstützung der Märkte fehlt, dann ist offensichtlich, dass sich eine „Tech-Pause“ negativ auf den breiten Markt auswirken wird.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
Testen Sie unsere Frühausgabe.
Ein kostenloses 14-tägiges Schnupper-Abonnement können Sie hier bestellen: Schnupper-Abo bestellen
Wochenend-Kolumne abonnieren.
Weitere Kolumnen finden Sie im Archiv.