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DAX mit Geburtsfehler

Wellenreiter-Kolumne vom 02. Juli 2018
 
Der DAX wurde gestern 30. Der DAX sei eine „Erfolgsstory“. Dies jedenfalls meint die Deutsche Börse in einer Pressemitteilung. Er sei „transparent, regelbasiert und liquide“. Zudem sei er ein Markenzeichen für „Listed in Frankfurt“. 
 
Auf die Gefahr hin, als Partymuffel zu gelten: Lobhudelei kann aus Marketinggründen in Ordnung sein. Bei genauerem Hinsehen erscheint sie nicht gerechtfertigt.
 
Wir zeigen die Entwicklung des DAX seit seiner Auflegung. Die Indexbasis des DAX liegt bei 1.000 Punkten per 31. Dezember 1987.
 
 
Als unvoreingenommener Beobachter der Börse herrscht das Gefühl vor, die Wirtschaftsnation Deutschland mit seinem hohen Exportüberschuss und einer schwarzen Haushaltsnull könne den USA uneingeschränkt Paroli bieten. Hingegen würde ein Land wie Frankreich vergleichsweise wirtschaftlich schwach sein.
 
Auf dem ersten Blick scheint sich der Vergleich mit den USA zu bestätigen. Steigen nicht der DAX und der amerikanische Leitindex S&P 500 Hand in Hand (folgender Chart)?
 
 
 
 
Der Börseninsider kennt allerdings ein Geheimnis: Der DAX wird offiziell als Performanceindex ausgewiesen. Zwar verschweigt die Deutsche Börse diesen Umstand in ihrer Pressemitteilung nicht und bemerkt auch richtig, dass der DAX die tatsächliche Performance eines Investments widerspiegelt. Dividendenzahlungen gehen in den Index ein. Erläutert wird jedoch nicht, dass diese Art der Berechnung international unüblich ist. Für die breite Öffentlichkeit sind solche Unterschiede schon gar nicht nachvollziehbar.
 
Alle bekannten ausländischen Leitindizes sind Kursindizes, die lediglich die Preisentwicklung abbilden. Man kann darüber streiten, welche Darstellungsmethode die Bessere ist. Tatsache ist jedenfalls, dass der DAX mit seiner Berechnungsart ganz allein dasteht. Somit fehlt die internationale Vergleichbarkeit.
 
Vier Kursindizes, alle auf Eurobasis: DAX, Euro Stoxx 50, CAC 40 und der S&P 500 in Euro.
 
 
 
Der DAX schrumpft von +587 Prozent seit 1990 auf +233 Prozent. Oder anders gesagt: Dividenden machen 60 Prozent der DAX-Performance seit 1990 aus. Der Kurs-DAX bewegt sich einvernehmlich mit dem französischen Leitindex CAC 40, während der S&P 500 (ein Kursindex) weit davongelaufen ist. 
 
Auf der Weltbühne humpelt der DAX. Seit dem Jahr 2008 zeigt er gegenüber dem MSCI World relative Schwäche.
 
 
 
Fazit: Der DAX verhält sich seit Jahren vergleichsweise schwach. Ein Teil der Erklärung liegt in der Marktstruktur. Während die US-Börsen von Tech-Werten getrieben werden, kann man in Deutschland lediglich auf SAP verweisen. Der deutsche Finanzsektor schwächelt. Viele Weltmarktführer sind gar nicht erst Teil der deutschen Börsenlandschaft.
 
Die Aktienkultur wird in Deutschland nicht geschätzt. Allein das Wort „Aktienkultur“ dreht viele Mägen um, während das Wort „Industriekultur (die Zeche im Ruhrgebiet)“ geradezu Kultstatus besitzt. Die Deutsche Börse schafft es nicht, die Politik davon zu überzeugen, das Ansparen mittels Aktien auf breite Beine zu stellen. Stattdessen wird jahrelang alle Energie darauf verwendet - und verschwendet -, die Londoner Börse zu übernehmen. Es kommt nicht von ungefähr, dass ein Kolumnist des Spiegel-Magazins die ARD-Sendung „Börse vor acht“ von ihrem Programmplatz verdrängt sehen will.
 
Ob bewusst oder unbewusst: Die Deutsche Börse trägt mit ihrem Beharren auf einer Dax-Sonderlösung dazu bei, die deutsche Aktienlandschaft im Ländervergleich zu verzerren. Ein Neustart mit einem Kurs-DAX auf der Anzeigentafel und einer politischen Initiative, die das langfristige Aktiensparen für weite Bevölkerungsteile attraktiv macht, ist längst überfällig. Es fehlt dringend der Anreiz für langfristiges Aktiensparen in Form einer Steuerbefreiung nach 10 oder 20 Jahren. 
 
Deutsche Börse, steige von Deinem Elfenbeinturm herab und mische dich unter das Volk.
 
Robert Rethfeld 
Wellenreiter-Invest
 

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