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Strommarkt mit Panikhandel
Wellenreiter-Kolumne vom
28. September 2021
Der Großhandels-Strompreis geht durch die Decke. Es ist ein bisher einmaliger Vorgang. Eine Megawattstunde kostet in Deutschland 128 Euro. Das Hoch von 2008 wird klar übertroffen. Treiber sind die Preise für Kohle und Erdgas.
Umgerechnet sind dies 12,8 ct/kWh. Das sind 7 bis 9 Cent mehr als üblich. Zahlt ein Haus-halt bisher 30 ct/kWh, so würde sich der Strompreis auf fast 40 ct/kWh erhöhen, würde der Börsenstrompreis eine längere Zeit auf diesem Niveau verbleiben.
Der Preis für Steinkohle (Rotterdam) stieg erstmals auf mehr als 200 US-Dollar/Tonne. Wir zeigen den Verlauf auf einem Chart mit dem deutschen Börsenstrompreis.
Der US-Erdgas-Future steigt erstmals über 6 Dollar pro MBtu.
Aufgrund des großen eigenen Binnenmarktes und der großen Förderkapazität sieht dieser Chart noch wenig dramatisch im Vergleich zum deutschen Börsenstrompreis aus.
Anders ist es in Japan. Der JKM-Future misst den Preis für japanisches LNG-Erdgas. Die-ser notiert auf einem Rekordhoch von knapp 30 Dollar pro MMBtu.
Ein Hoffnungsschimmer ist der Umstand, dass die Preise für die Kontrakte ab April 2022 deutlich fallen. Der Kontrakt für April 2022 liegt bei 16 Dollar pro MMBTU. Es herrscht eine deutliche Backwardation, die Knappheit signalisiert. Ähnliches gilt auch – in etwas abge-schwächter Form – für die Kohle-Futures.
Die Energieversorgungsknappheit ist ein weltweites Phänomen, nicht zuletzt getrieben durch die hohen Transportkosten für Kohle. Zudem entsteht durch den zu langsamen Ausbau regenerativer Energiequellen und der gleichzeitig reduzierten Erschließung fossiler Brennstoffe eine Lücke, die in Deutschland durch die beschlossene Abschaltung der restlichen sechs deutschen Atomkraftwerke Ende 2021 (drei) und Ende 2022 (drei) verschärft wird.
Auch der CO2-Zertifikatepreis befindet sich auf einem Rekordhoch. Allerdings steigt der Börsenstrompreis schneller (folgender Chart).
Die Differenz zwischen Großhandelsstrom und CO2-Zertifikatepreis zeigen wir nachfolgend.
Dies bedeutet, dass alle Arten von Kraftwerken – auch Braunkohle – derzeit richtig Geld verdienen, es sei denn, sie haben die zukünftige Produktion bereits verkauft. Viele Kraftwerksbetreiber werden sich in dieser Situation ärgern, die Produktion auf mehrere Jahre abgesichert zu haben.
Für die erneuerbaren Energien bedeuten hohe Strompreise einen enormen Anreiz zum Ausbau. Sie müssen den CO2-Zertifikatepreis nicht berücksichtigen. Da dieser Energiepreisanstieg weltweit stattfindet, ist der Anreiz für den Ausbau der Solar- und Windproduktion sowie deren Speicherung in Batterien sowie der Umwandlung in Wasserstoff gestiegen.
Hinzu kommt, dass das Wetterphänomen „La Nina“ erst im Dezember seinen Extrempunkt erreichen wird. Er fällt mit einer voraussichtlichen Abweichung von -1,3 Grad heftiger aus als noch vor einigen Wochen erwartet.
Die Entwicklung des La Nina sowie die starke Backwardation diverser Energie-Futures ab April sprechen dafür, dass die hohen Preise nicht sofort, sondern erst im Laufe des zweiten Quartals 2022 rückläufig sein werden. Eine erste Spitze sollte aber bald erreicht sein, der Anstieg geht zu steil.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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