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Genug Gas
Der Speicherfüllstand der deutschen Erdgasspeicher könnte am 31. März 2023 bei 65% notieren. Die Befüllung für den nächsten Winter sollte ohne größere Anstrengung gelingen. Der europäische Erdgaspreis sollte weiter fallen. Diese Annahme wollen wir nachfolgend begründen.
Szenarien
Zum 1. Januar 2023 beträgt der Speicherfüllstand 90,1 Prozent. Wir beschreiben nachfolgend drei Szenarien. Ein mildes, ein durchschnittliches und eines, das mit großer Kälte verbunden ist.
Eiswinter-Szenario
Vom 10. – 19. Dezember 2022 litt Europa unter einer Kältewelle. Der Gasverbrauch stieg auf 4.500 GWh täglich, nachdem er Ende November bei 3.500 GWh/Tag notierte. Der Speicher reduzierte sich täglich um 1% oder mehr. Befürchtungen einer Gasmangellage kamen auf. Die zuverlässig auftretende Singularität des Weihnachtstauwetters beendete den Spuk. Nehmen wir einen Worst-Case an, unser Szenario „eiskalt“. Die Tagesmitteltemperatur bleibt von Mitte Januar bis Ende März deutlich unter null Grad, eine nahezu unterbrochene Folge von Eistagen stellt sich ein. 4.500 GWh würden unseren Gasspeichern täglich entzogen werden. In diesem Fall würde der Speicherfüllstand auf 24% fallen. Eine Mangellage würde nicht entstehen, aber der Erdgaspreise würde steigen, auch weil der Bedarf in der im Frühjahr beginnenden Füllphase höher wäre. Dieses Szenario halten wir für unwahrscheinlich. Aber es erscheint uns wichtig, sich Extremszenarien vor Augen zu führen, um zu erkennen, wie es tatsächlich laufen könnte.
Deutschland verfügt über ein Gasspeichervolumen von 246.100 GWh. Gegenwärtig stehen 220.000 GWh Erdgas zum Abruf bereit. Die folgenden Parameter beschreiben die Dynamik des Ein- und Ausspeicherns: Etwa 3.000 GWh/Tag werden über Importe (Pipeline aus Norwegen, LNG) dem deutschen Gasnetz zugeführt. 110 GWh/Tag kommen aus deutscher Förderung hinzu. Durchschnittlich etwa 500 GWh/Tag werden ins europäische Ausland exportiert. Diese Werte sind dynamisch. Tatsächlich steigen die Exporte meist, wenn kältere Wettersituationen entstehen.
Dennoch stehen durchschnittlich etwa 2.600 GWh täglich auf der Inputseite zur Verfügung. Diese Menge kann täglich entnommen werden, ohne dass der Speicherfüllstand sinkt („Breakeven-Menge“). Zwischen den Jahren wurden wegen des geringen Heizbedarfs weniger als 2.600 GWh/Tag benötigt. Dies führte zu einem Anstieg des Speicherfüllstandes. Verändert sich die Inputseite dadurch, dass mehr LNG geliefert wird, weil in Wilhelmshaven ein Terminal in Betrieb gegangen ist, dann ist das ein positiver Aspekt, der hier nicht berücksichtigt wurde.
Mild-Winter-Szenario
Das Mild-Winter-Szenario beschreibt einen Speicherfüllstand von 75% am 31. März 2023. Anhaltende Westwinde würden sowohl milde Luft mit sich bringen als auch die Windkraft überdurchschnittlich in den Strommix einfließen lassen. Zuletzt häufte sich dieser Wintertyp, der in den Wintermonaten 2013/14, 2015/16, 2019/20 und 2021/22 in Mitteleuropa auftrat. In einem solchen Szenario würde der Preis für europäisches Erdgas deutlich fallen. Die Wiederbefüllung der Speicher bis zum nächsten Winter wäre ein „Klacks“.
Durchschnittswert-letzte-12-Jahre-Szenario
Für die Berechnung des Gasverbrauchs der Wintermonate Januar und Februar sowie des Frühlingsmonats März legen wir hier den durchschnittlichen Temperaturverlauf der vergangenen zwölf Jahre zugrunde. Wir beziehen die Kälteperiode der Jahre 2010/2011 ausdrücklich mit ein. Laut Bundesnetzagentur bedeutet eine Temperaturveränderung von 1 Grad Celsius einen Mehr/Minderverbrauch von 1 TWh/Woche (=142 GWh/Tag).
Der erste Monat des meteorologischen Winters ist vorüber. Der Dezember 2022 war trotz der Erwärmung vor Weihnachten der kälteste Dezember der vergangenen 10 Jahre.
Die Wettervorhersage legt bis etwa Mitte Januar eine für den Januar milde Wetterlage nahe. Nach den Durchschnittwerten der vergangenen 12 Jahre lassen sich zwei Hochwinterphasen ausmachen. Die erste läuft etwa vom 15. bis 27. Januar, die zweite vom 4. bis 15. Februar. Setzt man den Verbrauch in diesen Phasen mit dem Verbrauch der Kälteperiode um den 15. Dezember 2022 an (etwa 4.500 GWh/Tag), dann ergibt sich ein Szenario, dass zum 31. März 2022 mit einem Speicherfüllstand von 60% abschließen würde.
Fazit
Das Eiswinter-Szenario halten wir für ausgeschlossen. Die Klimaerwärmung der vergangenen Jahrzehnte schreitet voran und minimiert eine solche Wahrscheinlichkeit. Ein Mildwinter-Szenario erscheint möglich (Speicherfüllstand 75% am 31. März 2023). Das Durchschnittsszenario der vergangenen 12 Jahre beschreibt einen Speicherfüllstand von 60% Ende März. Irgendwo dazwischen sollte der tatsächliche Wert liegen. Unsere beste Annahme: 65% am 31.03.2023.
Quellen: AGSI+, Bundesnetzagentur, Tradinghub.eu, DWD. Abhängigkeiten: Gas-Im- und Export, Gasproduktion, Wetter, Industriebedarf, Haushaltsbedarf, Sparverhalten
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