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Das Sabbatjahr 2014/15

Wellenreiter-Kolumne vom 28. Dezember 2014

„Und sechs Jahre besäe dein Feld und sammle seinen Ertrag ein. Aber im siebten lass es ruhen und brachliegen, damit die Armen deines Volkes essen mögen, und was sie übrig lassen, mögen die Tiere des Feldes essen, und so mache es mit deinem Weinberg und deinem Olivenhain“ (Exodus 23:10–11)

 

Am 25. September 2014 begann ein neues Sabbatjahr. Es wird am 13. September 2015 enden.

 

Am 15. Oktober 2014 rollte ein Erdbeben durch den US-Anleihenmarkt. Innerhalb einer Stunde fiel die Rendite 10jähriger US-Anleihen um 30 Basispunkte, nur um gleich wieder um 20 Basispunkte anzusteigen (folgender Chart).

 

 

Die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zeigte sich - laut einem Bericht der Börsenzeitung - „erschrocken“ über diese Marktbewegung. Die Rendite schwankte, als handle es sich nicht um eines der liquidesten Wertpapiere der Welt, sondern um den „High-Yield-Bond eines Frontier-Market-Unternehmens“. Als einige Marktteilnehmer versucht hätten, noch mehr Positionen aufzulösen, sei „die Liquidität versiegt“.

 

Damit bestehe ein erhebliches Risiko, dass es zu Marktturbulenzen kommen könnte, ohne dass ein Ereignis vorläge, das gravierend genug wäre, ihr Ausmaß zu erklären. Die Verwerfungen könnten einfach dadurch entstehen, dass eines Tages zu viel Kapital in eine Richtung bewegt wird und damit eine Lawine ausgelöst wird. Der Oktober hätte darauf einen Vorgeschmack gegeben. Die BIZ betonte in ihrem Bericht, dass die Volatilität der Rendite 10jähriger US-Staatsanleihen am 15. Oktober 2014 so hoch war wie unmittelbar nach dem Lehman-Kollaps.

 

Vor kurzem fiel mir das Buch „The Mystery of the Shemitah“ („Das Mysterium der Schmitta“) in die Hände. Der messianische Rabbi Jonathan Cahn veröffentlichte es im September 2014. Darin beschäftigt er sich mit der Finanzmarkthistorie und stellt fest, dass die Börse einem Sieben-Jahres-Zyklus folgt, der eng mit dem Sabbatjahr (auch Schmitta genannt) verbunden ist. Nach einigen Buchseiten wird klar, dass hier jemand am Werk ist, der den Leser im Brustton seiner religiösen Überzeugung, aber durchaus mit nachvollziehbaren Argumenten warnen möchte. Bevor Fragen aufkommen, was ein „messianischer Jude“ ist: Es ist ein Bürger jüdischen Glaubens, der Jesus als Messias anerkennt.

 

Noch heute halten sich orthodoxe Juden an das Sabbatjahr. In Analogie zum Sabbat als Ruhetag (siebter Tag der Woche) bezeichnet das Sabbatjahr das Jahr, in dem die Bewirtschaftung des Ackerlandes ruhen soll. Nach sechs Jahren Bebauung wird das Land ein Jahr brach liegen gelassen.

 

Als ich das Buch über die Weihnachtsfeiertage las, blieb die Faszination und der Drang, es nicht unkommentiert zu lassen, zumal wesentliche Elemente des Buches (der Zyklus, das Timing von Crash-Tagen, die Errichtung von Wolkenkratzern nahe Rezessionen) zu den „Wellenreiter-Ur-Themen“ zählen.

 

Das Alte Testament kennt mehrere Textstellen zum Sabbatjahr, unter anderem die folgende:

 

„Am Ende von sieben Jahren halte Erlass. Und dies ist die Angelegenheit des Erlasses: Jeder Gläubiger erlasse, was er seinem Nächsten geliehen hat, er dränge nicht seinen Nächsten und seinen Bruder, denn ein Erlass Gottes ist verkündet“ (5. Buch Mose / Deuteronomium 15:1–2)

 

Für Jonathan Cahn manifestiert diese Bibelstelle dem Schlüsselbezug zur Börse: Im Sabbatjahr werden die Unebenheiten im Finanzsystem bereinigt. Und zwar nicht zu Beginn, sondern „am Ende von sieben Jahren“. Also am letzten Tag des Sabbatjahres.

 

Diese These ist überprüfbar. Sabbatjahre sind feststehende Bestandteile des jüdischen Kalenders. Der jüdische Kalender orientiert sich – wie sein Vorbild, der babylonische Kalender – hauptsächlich an den Mondphasen („Monate“), behält aber gleichzeitig das Jahr („Umlauf der Erde um die Sonne“) im Blick. Die Differenz wird mit einem Schaltmonat ausgeglichen.

 

Das letzte Sabbatjahr endete am 29. September 2008. An jenem Tag fiel der Dow Jones Index sinnigerweise um 777,7 Punkte. Dies war der größte bisher gemessene Tagesverlust in Punkten (nicht in Prozent). Im Rahmen der anschließenden Oktober-Panik (Lehman-Crash) fielen die Märkte noch deutlich tiefer. Andererseits: Jener 29. September 2008 hat seinen Platz in der Geschichte als einer der größten Paniktage.

 

Blenden wir einen Sieben-Jahres-Zyklus zurück. Die Börsen hatten im Frühjahr 2000 ihr Hoch markiert, bäumten sich aber im Sommer 2000 nochmals auf. Der S&P 500 markierte am 1. September 2000 - nur knapp unter seinem Allzeithoch – ein wichtiges sekundäres Hoch. Von dort aus ging es bergab.

 

Das damalige Sabbatjahr begann am 30. September 2000 und endete am 17. September 2001. Jener 17. September war der erste Tag, an dem die New Yorker Börse nach den Anschlägen vom 11. September wiedereröffnete. Der Dow fiel um 685 Punkte. Zum damaligen Zeitpunkt war dies der mit Abstand höchste Tagespunktverlust. Nach einem Zwischenspurt zum Jahresende kam der Bärenmarkt erst im Oktober 2002 zur Ruhe.

 

Der letzte Tag des Sabbatjahres hatte in den Jahren 2008 und 2001 jeweils tatsächlich eine besondere „Bereinigungsbedeutung“.

 

Noch ein Zyklus früher: Im Sabbatjahr September 1993 bis September 1994 schossen die US-Renditen deutlich nach oben. Allerdings reagierten die Aktienmärkte nicht panisch. Sie markierten eine Seitwärtsbewegung, in der eine 10-Prozent-Korrektur das Maximum darstellte. Ein Crash-oder Bereinigungsdatum lässt sich nicht zuordnen. Anschließend stiegen die Märkte für mehrere Jahre deutlich.

 

Im Sabbatjahr September 1986 bis September 1987 stiegen die Aktienmärkte in einer Blow-off-Bewegung zunächst deutlich an, bevor der Dow Jones Index am 25. August 1987 sein Hoch markierte. Die anschließende Abwärtsperiode gipfelte im Oktober-Crash.

 

Betrachtet man die letzten vier Sabbatjahre (1986/87, 1993/94, 2000/01, 2007/08), so lässt sich in drei von vier Fällen ein Hang zum Drama feststellen, wobei der Renditeanstieg 1994 für die Aktienmärkte zwischenzeitlich auch nicht ganz ohne war.

 

Sabbatjahre haben einen Bezug zu heftigen Ölpreisbewegungen. So umfassten die Sabbatjahre 1972/73, 1979/80 und 2007/08 Ölkrisen und Preisanstiege. Auf der anderen Seite begann jeweils kurz vor Beginn der Sabbatjahre 1986/87, 1993/94 und 2014/15 ein deutlicher Ölpreisrutsch.

 

In Sabbatjahren scheint eine Neigung zu steigenden Renditen zu bestehen. So zogen die Renditen in den Sabbatjahren 1972/73, 1979/80, 1986/87, 1993/94 sowie im Vorfeld der Sabbatjahre 2000/01 und 2007/08 deutlich an.

 

Damit Sie sich selbst ein Bild von den Bewegungen an den Aktienmärkten machen können, stellen wir nachfolgend alle Sabbatjahr-Anfänge seit 1900 in einem Chart dar.

 

 

September 1902, 1909 und 1916 waren jeweils „Volltreffer“, was nachfolgende Korrekturen angeht, genauso wie die Septembermonate der Jahre 1930, 1937, 1965, 1972, 2000 und 2007.

 

Elf der sechzehn Sabbatjahre seit 1900 sahen Korrekturen, Crashes oder Bärenmärkte größeren Ausmaßes. Die Abwärtsbewegung Top zu Boden im Dow Jones Index betrug in jedem dieser Jahre 20 Prozent oder mehr. Weitere drei Sabbatjahre sahen zunächst Seitwärtsbewegungen (1923, 1951, 1993), bevor sich eine Aufwärtsbewegung durchsetzte. Nur zwei der sechzehn Sabbatjahre lassen sich als uneingeschränkt positiv bezeichnen (1944 und 1958).

 

Es wäre des Guten zu viel, an der Börse ein durchgängiges, verlässlich zyklisches Muster zu erwarten. So funktioniert die Börse nicht. Fest steht nur: Das Sabbatjahr 2014/15 hat begonnen. Es zeigte mit dem Beben vom 15. Oktober seine Visitenkarte. Auch die heftige Bewegung im Ölpreis ist für ein Sabbatjahr typisch. Und ein Renditeanstieg wäre eine naheliegende, weil in solchen Jahren häufig zu beobachtende Option.

 

Der 13. September 2015 wird das Ende des laufenden Sabbatjahres bezeichnen. Es kann sein, dass um diesen Tag herum (ein Sonntag) etwas Brisantes geschieht. Allerdings lässt sich ein Zwang aus den vorliegenden historischen Geschehnissen nicht ableiten.

 

Die Vermutung liegt jedoch nahe, dass der Herbst 2015 einiges an Brisanz mit sich bringen könnte. Dies würde sich mit unserer im Wellenreiter-Jahresausblick aufgestellten These decken, wonach ein wichtiges Aktienmarkthoch recht früh im zweiten Halbjahr auf dem Plan stehen könnte.

 

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

 


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